Die Geliebte des Zeitreisenden
leben.«
»Du glaubst also an Reinkarnation. Und was geschieht, wenn du ein Leben führst, das der Göttin angenehm ist?«
»Dann erreichen wir die höchste Stufe des Seins.«
»Und die wäre?«
»Die des Drachenwandlers. Des geistigen Führers von Pendragon.« Sie zuckte die Achseln und schenkte ihm ein schiefes Lächeln. »In Wahrheit habe ich nie geglaubt, heiliger als die anderen zu sein. Ich weiß nicht, warum die Göttin gerade mir ihre Zeichen aufgedrückt hat.«
Lucan hielt den Kopf schräg. »Hast du je von der Herrin vom See gehört?«
»Natürlich. Wir erfahren schon in unserer Kindheit von ihr.« Sie wunderte sich über seine Frage und auch über die seltsame Anspannung, die sie ihm plötzlich anmerkte. »Die Herrin vom See war eine Hohepriesterin. Sie lebte auf einer Insel, die von Nebel umgeben war. Als dieser Nebel eines Tages besonders dicht war, verlor sie die Orientierung und gelangte in ein anderes Reich, in dem sie ihre Fähigkeit des Drachenwandeins und auch die Möglichkeit verlor, ihrem Volk und der Göttin weiterhin zu dienen.«
Er nickte, und sie spürte, wie er sich bemühte, seine Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. »Genießt du es, deinem Volk zu dienen?«
Sie hob eine Braue und zog die Robe enger um die Handgelenke. Sie war es gewöhnt, dass andere Menschen auf eine Weise Gefühlsmauern um sich herum errichteten, dass Cael nicht in ihnen lesen konnte. Aber als Lucan dies tat, ängstigte es sie. »Ich mag es, Kinder zu segnen sowie unsere Kultur und unser Erbe zu bewahren. Aus diesem Grund habe ich mich dem Avalon-Projekt angeschlossen - und auch aus der Hoffnung heraus, ich könnte den Gral finden und damit meinen Neffen heilen. Bei meiner Ehre bin ich dazu verpflichtet, die Gräben zwischen den verschiedenen Teilen der Gesellschaft zu überbrücken. Aber nicht jeder achtet die Ideale von Ehre und Ritterlichkeit. Einige halten sie auch für längst überkommen. Der Umstand, dass wir uns so weit von unseren Wurzeln entfernt haben, ist beängstigend.«
»Ehre. Ritterlichkeit«, sagte er, als wollte er die Worte auf die Probe stellen. Sein Mund verzerrte sich vor Anspannung. »Eine Frau wie du verdient einen Mann, der diesen Idealen entspricht. Und ich... bin nicht dieser Mann.«
Eine Welle des Schmerzes und der Angst überspülte sie. Es waren Lucans Schmerz und seine Angst. Deutlich spürte sie, dass er ihr damit bewusst wehtat.
Ihre Eingeweide krampften sich zusammen. »Ich verstehe nicht.«
Er stand auf und fuhr sich mit der Hand durch die Haare. »Du bist mir wichtig, aber ich will dich nicht in die Irre führen«, sagte er sanft.
Der Schmerz zerrte an ihr, aber sie hielt das Kinn gereckt. Trotz ihrer Bemühungen um Haltung brach ihr die Stimme. »Mich in die Irre führen?«
Er spannte sich an; die Sehnen an seinem Hals traten deutlich hervor. »Ich finde dich körperlich äußerst attraktiv, fühle mich dir sehr nah - und außerdem bist du ausgesprochen geistreich.«
»Aber?« Sie zwang das Wort heraus und war sich sicher, dass das Nächste, was er sagen wollte, ihr wehtun werde - weher als jedes Auspeitschen, dem die Ältesten sie je unterworfen hatten. Weher sogar als die mangelnde Zuneigung ihrer Schwester.
Er lief auf und ab; in seinen kraftvollen Bewegungen zeigten sich Entschlossenheit und Enttäuschung. »Cael, wir haben keine gemeinsame Zukunft. Zumindest keine solche, wie du sie dir erhoffst.«
»Nein?« Schmerz nistete sich in ihrer Brust ein, Verzweiflung sickerte ihr bis ins Mark, aber sie weigerte sich, vor ihm zusammenzubrechen. So sehr hatte sie gehofft, er werde ihr Drachenwandeln hinnehmen, dass sie nicht über diesen Augenblick hinaus gedacht hatte.
»Meine Arbeit ist sehr wichtig für mich.«
»Das geht mir genauso, aber ich verstehe nicht, was die Leidenschaft für unsere Arbeit mit der Leidenschaft füreinander zu tun haben soll.«
Ein Muskel zuckte an seinem Kinn, ein Schatten fiel über seine Augen. Doch er begegnete ihrem Blick, und sie las so viele Gefühle darin: Entschlossenheit, Kummer und auch eine unterdrückte Wut. »Ich bin noch nicht bereit, mich häuslich niederzulassen.«
Nun war es an ihr, schockiert zu sein. Er war nicht bereit dazu? Was zur Hölle sollte das bedeuten? Dass sie bloß aus Lust miteinander geschlafen hatten? Was war denn, wenn sie schwanger geworden war?
Zur Hölle mit ihm.
Ihre Beweggründe waren die reinsten gewesen. Sie hatte ihren Körper mit den höchsten Hoffnungen und in tugendhafter Gesinnung
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