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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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versuchte, geduldig zu bleiben. »Soweit ich weiß, unterscheidet es sich von dem anderer Männer recht wenig. Engländer und Schotten sind ganz ähnlich ausgestattet.«
    »Ja, aber sie, sie... st-stecken es d-der F-F-Frau zwischen die B-B-Beine! So richtig in sie rein!« Nach diesen mühsam hervorgepreßten Worten atmete sie tief durch und schien sich etwas zu beruhigen,
denn die tiefe Röte verblaßte ein wenig. »Ein Engländer oder sogar ein Schotte... oh, so hab’ ich d-das nicht gemeint...« Verlegen schlug sie sich die Hand vor den Mund. »Aber ein anständiger Mann wie Ihrer würde b-bestimmt nicht im Traum darauf kommen, einer Frau so etwas anzutun!«
    Ich legte eine Hand auf meinen leicht gerundeten Bauch und betrachtete das Mädchen nachdenklich. Allmählich wurde mir klar, warum Mary Hawkins’ Vergeistigung als eine so hohe männliche Tugend ansah.
    »Mary«, sagte ich, »ich glaube, wir müssen uns mal ein bißchen unterhalten.«
     
    Ich lächelte immer noch vor mich hin, als ich das unscheinbare Novizengewand aus grobem Tuch über mein Kleid streifte und den großen Saal des Spitals betrat.
    Die chirurgiens, Harnbeschauer, Knocheneinrichter, Ärzte und anderen Heiler stellten ihre Zeit und ihre Dienste zum großen Teil unentgeltlich zur Verfügung; andere kamen, um dazuzulernen und sich weiterzubilden. Die unseligen Patienten des Höpitals des Anges mußten es widerspruchslos hinnehmen, daß man sie zu allerlei medizinischen Experimenten heranzog.
    Abgesehen von den Nonnen wechselten die medizinischen Betreuer beinahe von Tag zu Tag, je nachdem, wer gerade keine zahlenden Patienten hatte oder wer eine neue Technik ausprobieren wollte. Doch die meisten Heilkundler kamen so oft, daß ich nach kurzer Zeit den »festen Stamm« kannte.
    Einer der interessantesten war der große, schlanke Mann, der bei meinem ersten Besuch gerade ein Bein amputiert hatte. Auf meine Frage hin erfuhr ich, das sei Monsieur Forez, eigentlich ein Knocheneinrichter, der aber gelegentlich auch schwierigere Amputationen übernahm. Die Nonnen und Pfleger hatten anscheinend großen Respekt vor Monsieur Forez; nie wurde er mit derben Scherzen bedacht wie die meisten anderen freiwilligen medizinischen Helfer.
    Heute tat Monsieur Forez Dienst, und ich näherte mich ihm unauffällig, um ihn bei der Arbeit zu beobachten. Sein Patient, ein junger Arbeiter, lag kreidebleich und keuchend auf einer Pritsche. Er war von dem Gerüst der Kathedrale - an der ständig gebaut wurde - gefallen und hatte sich einen Arm und ein Bein gebrochen.
Der Arm schien mir keine besonders schwierige Aufgabe für einen erfahrenen Knocheneinrichter - nur ein einfacher Bruch des Speichenknochens. Anders verhielt es sich mit dem Bein: ein komplizierter zweifacher Bruch des mittleren Oberschenkelknochens und des Schienbeins. Aus Ober- und Unterschenkel ragten Knochensplitter hervor, und fast das ganze Bein war blau verfärbt.
    Ich wollte den Knocheneinrichter nicht ablenken, aber Monsieur Forez schien ohnehin tief in Gedanken versunken; bedächtig schritt er um seinen Patienten herum - wie eine große Rabenkrähe, die darauf wartet, daß ihr Opfer endlich stirbt. Und er erinnerte mich tatsächlich an eine Krähe, mit seiner Hakennase und dem schwarzen, ungepuderten und glatt nach hinten gekämmten Haar, das er zu einem spärlichen Knoten im Nacken zusammengebunden hatte. Auch seine Kleider waren von düsterem Schwarz, wenngleich von guter Qualität; offenbar betrieb er außerhalb des Spitals eine gutgehende Praxis.
    Als er sich schließlich für eine Vorgehensweise entschieden hatte, hob er den Kopf und sah sich nach einem Helfer um. Sein Blick fiel auf mich, und er winkte mich zu sich heran. Ganz auf die bevorstehende Aufgabe konzentriert, bemerkte er nur das Novizengewand, nicht aber, daß Wimpel und Schleier fehlten. Offensichtlich hielt er mich für eine Ordensschwester.
    »Hier, ma soeur «, wies er mich an und ergriff den Fußknöchel des Patienten, »halten Sie ihn da fest, gleich über der Ferse. Wenn ich es Ihnen sage, ziehen Sie den Fuß fest zu sich. Ziehen Sie langsam, aber kräftig - Sie werden Ihre ganze Kraft brauchen. Haben Sie verstanden?«
    »Ja.« Ich packte den Fuß wie befohlen, während Monsieur Forez gemächlich zum anderen Ende der Pritsche stakste und nachdenklich das gebrochene Bein betrachtete.
    »Ich habe hier ein Stimulans, das uns helfen wird«, erklärte er und zog ein kleines Fläschchen aus seiner Rocktasche. »Es bewirkt eine

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