Die Geliehene Zeit
Abschrift zusammen und legte sie sorgsam in eine Schublade, die er verschloß.
»Wir können niemandem trauen, Sassenach«, erklärte er auf meine Verwunderung hin. »Möglicherweise sind sogar unter unseren Dienstboten Spione.« Nachdem er den Schlüssel in seiner Rocktasche verstaut hatte, bot er mir seinen Arm an. »Gehen wir schlafen.«
Ich nahm die Kerze in die eine Hand und hakte mich mit der
anderen bei ihm unter. Das Haus war dunkel, die Dienstboten - außer Fergus - schliefen den Schlaf der Gerechten. Mir war etwas unheimlich zumute bei dem Gedanken, daß der eine oder andere der selig Schlummernden vielleicht nicht der war, als der er sich ausgab.
»Macht es dich nicht ein bißchen unruhig«, fragte ich ihn, als wir die Treppe hinaufgingen, »daß du niemandem trauen kannst?«
Er lachte leise. »Nun, niemand würde ich nicht sagen, Sassenach. Ich habe dich - und Murtagh und meine Schwester Jenny und ihren Mann Ian. Euch vieren würde ich mein Leben anvertrauen - was ich auch schon mehr als einmal getan habe.«
Ich fröstelte, als er die Vorhänge des großen Bettes zurückzog. Das Feuer hatte man bereits mit Asche bedeckt, und im Zimmer wurde es kalt.
»Vier Leute, denen man trauen kann, sind nicht gerade viel«, meinte ich, als ich die Bänder meines Kleides löste.
Jamie zog sich das Hemd über den Kopf und warf es auf einen Stuhl. Im schwachen Licht, das durchs Fenster hereindrang, schimmerten die Narben auf seinem Rücken silbern.
»Aye«, entgegnete er sachlich, »aber es sind vier mehr, als Charles Stuart hat.«
Noch lange vor der Morgendämmerung zwitscherte draußen ein Vogel. Es war eine Spottdrossel, die auf irgendeiner Dachrinne in der Nähe saß und ihre Triller übte.
Schlaftrunken rieb Jamie seine Wange an meinem glatten, frisch gewachsten Unterarm, dann hauchte er mir einen Kuß in die Armbeuge, so daß ich wohlig erschauderte.
»Mmh«, murmelte er, während seine Hand über meine Rippen glitt, »ich mag es, wenn du eine Gänsehaut bekommst.«
»So?« erwiderte ich und fuhr mit den Fingernägeln sanft über seinen Rücken, was ihm ebenfalls eine Gänsehaut bescherte.
»Ah.«
»Selber ›ah‹«, sagte ich leise.
»Mmmh.« Genüßlich stöhnend wälzte er sich zur Seite und schlang die Arme um mich. Ich genoß es, seinen nackten Körper zu spüren, seine Wärme, die wie ein über Nacht mit Asche bedecktes Feuer in der kalten Morgendämmerung wieder aufloderte.
Seine Lippen schlossen sich sanft um eine meiner Brustwarzen, und ich stöhnte lustvoll.
»Läßt du mich das später auch machen?« murmelte er unter vorsichtigen Bissen. »Wenn das Kind da ist und deine Brüste voller Milch sind? Stillst du mich dann auch, hier an deiner Brust?«
Meine Finger kraulten das babyweiche, dichte Haar an seinem Nacken.
»Immer«, flüsterte ich.
14
Schmerzhafte Erfahrungen
Fergus erwies sich als außerordentlich geschickt in seinem Handwerk, und beinahe jeden Tag erhielten wir eine neue Auslese aus der Korrespondenz Seiner Hoheit. Manchmal hatte ich Mühe, mit dem Abschreiben fertig zu werden, ehe Fergus zu einem neuen Raubzug aufbrach, bei dem er die entwendeten Briefe zurückbrachte und neue stahl.
Bei einigen handelte es sich um verschlüsselte Nachrichten von König James aus Rom, deren Abschriften Jamie beiseite legte, um sich ihnen in Ruhe zu widmen. Die meisten Briefe Seiner Hoheit erwiesen sich als belanglos: Mitteilungen von Freunden aus Italien, eine ständig wachsende Anzahl von Rechnungen - Charles hatte eine Schwäche für außergewöhnliche Garderobe, elegante Stiefel und Branntwein - und gelegentlich Briefe von Louise de La Tour de Rohan. Diese waren ziemlich leicht zu erkennen; abgesehen von ihrer winzigen, manierierten Handschrift, die aussah, als wäre ein Vögelchen über das Papier getrippelt, trug jeder Brief Louises unverwechselbaren Hyazinthenduft. Jamie weigerte sich nachdrücklich, sie zu lesen.
»Ich lese doch nicht die Liebesbriefe, die der Mann bekommt«, sagte er entschlossen. »Selbst ein Verschwörer hat bei gewissen Dingen Hemmungen!« Dann nieste er und schob die letzte Sendung in Fergus’ Tasche zurück, während er ein eher pragmatisches Argument anführte: »Außerdem erzählt dir Louise sowieso alles.«
Das stimmte; Louise und ich waren gute Freundinnen geworden, und sie verbrachte in meinem Salon beinahe ebensoviel Zeit wie in ihrem eigenen. Dabei pflegte sie sich erst händeringend über Charles zu beklagen und vergaß ihn gleich darauf,
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