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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Schultern packte, sorgfältig Maß nahm und ihn mit einem gezielten Kinnhaken niederschlug.
    Alex, der seinen Brotherrn am Fuße der Treppe mit offenem Mund angestarrt hatte, ging willenlos in die Knie und sank in sich zusammen, die Augen immer noch weit aufgerissen, aber mit einem Mal so blicklos wie Marys.

19
    Der Eid
    Die Uhr auf dem Kaminsims tickte aufdringlich laut. Es war das einzige Geräusch im Haus, abgesehen von dem Knarren der Dielen und den gedämpften Lauten aus der Küche, wo die Dienstboten noch arbeiteten. Von Lärm jedweder Art hatte ich für die nächste Zeit genug. Ich brauchte Ruhe, um wieder zu mir zu finden. Also öffnete ich das Uhrgehäuse und entfernte das Zuggewicht. Sofort hörte das Ticken auf.
    Zweifelsfrei lag die Abendgesellschaft der Saison hinter mir. Wer nicht das Glück gehabt hatte, sie mitzuerleben, würde noch Monate später behaupten, dabeigewesen zu sein, und zur Bekräftigung mit Klatsch und verzerrten Schilderungen aufwarten.
    Es war mir schließlich gelungen, Marys habhaft zu werden und ihr noch ein Quentchen Mohnsaft einzuflößen. Daraufhin sank sie zu Boden, und ich konnte mich der Auseinandersetzung zwischen Jamie, dem General und Mr. Hawkins zuwenden. Da Alex klugerweise beschlossen hatte, noch eine Weile ohnmächtig zu bleiben, bettete ich seinen erschlafften Körper neben Marys auf den Treppenabsatz, und da lagen sie nun wie tote Makrelen. Daß sie auch ein wenig an Romeo und Julia - aufgebahrt auf dem Marktplatz, als Anklage gegen ihre Verwandten - erinnerten, war Mr. Hawkins offensichtlich entgangen.
    »Ruiniert!« schrie er immer wieder mit schriller Stimme. »Sie haben meine Nichte ruiniert! Nun wird sie der Vicomte niemals heiraten! Dreckiger schottischer Schweinehund! Sie und Ihre Schlampe!« Er wandte sich zu mir um. »Hure! Kupplerin! Bringt unschuldige junge Mädchen in ihre Gewalt, damit dieser elende Abschaum sein Vergnügen hat! Sie...« Mit grimmiger Miene legte Jamie die Hand auf Mr. Hawkins Schulter, drehte ihn um und vesetzte ihm einen Faustschlag, der ihn unterhalb seiner fleischigen
Wange traf. Dann rieb er sich geistesabwesend die schmerzenden Fingerknöchel und beobachtete, wie der Weinhändler die Augen verdrehte. Mr. Hawkins fiel rückwärts gegen die Holzvertäfelung, glitt zu Boden und blieb mit dem Rücken zur Wand sitzen.
    Jamie musterte mit kaltem Blick General d’Arbanville, der angesichts des Schicksals seines Mitstreiters die Weinflasche, die er geschwungen hatte, abstellte und einen Schritt zurücktrat.
    »Nur weiter so!« ließ sich eine Stimme hinter meinem Rücken vernehmen. »Warum jetzt aufhören, Tuarach? Schlagen Sie doch alle drei nieder! Machen Sie reinen Tisch!« Angewidert blickten sowohl der General als auch Jamie auf die elegante Gestalt hinter mir.
    »Scheren Sie sich fort, St. Germain. Diese Sache geht Sie nichts an«, sagte Jamie müde, aber laut genug, um sich bei dem Lärm von unten verständlich zu machen. Die Naht seines Rockes war an der Schulter geplatzt, so daß die Falten des weißen Leinenhemds hervorlugten.
    St. Germain verzog seine schmalen Lippen zu einem Lächeln. Offensichtlich amüsierte sich der Comte großartig.
    »Es geht mich nichts an? Gehen derartige Vorkommnisse einen Verfechter von Anstand und Moral etwa nichts an?« Belustigt betrachtete er die stattliche Anzahl lebloser Körper auf dem Treppenabsatz. »Wenn ein Gast Seiner Majestät die Gastfreundschaft so pervertiert, daß er ein Bordell in seinem Hause führt, ist das nicht - nein, lassen Sie es besser!« sagte er, als Jamie einen Schritt auf ihn zuging. Plötzlich funkelte in St. Germains Hand eine Klinge, die wie durch Zauberei aus der üppigen Spitze um sein Handgelenk geglitten war. Ich sah, wie Jamie verächtlich den Mund verzog und in Kampfposition ging.
    »Schluß damit!« befahl eine energische Stimme. Die beiden Duverneys drängten sich auf den bereits überfüllten Treppenabsatz. Duverney der Jüngere drehte sich um und gebot der Menge auf der Treppe mit ausladenden Armbewegungen, Platz zu machen. Eingeschüchtert von seinem finsteren Blick, wichen die Gäste immerhin einen Schritt zurück.
    »Sie«, wandte sich der Duverney der Ältere an St. Germain. »Wenn Sie tatsächlich für Anstand und Moral eintreten, wie Sie vorgeben, so können Sie sich nützlich machen, indem Sie einige der Zeugen dieses traurigen Schauspiels hinausbegleiten.«

    Der Adlige fixierte den Bankier mit einem eisigen Blick, zuckte dann aber die Schultern und

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