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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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kümmert mich wenig. Aber sagen Sie mir eins... Unternimmt Charles Stuart irgendwelche Schritte, die darauf hindeuten, daß er eine bewaffnete Invasion in Schottland oder England plant?«
    Raymond lachte laut heraus.
    »Meine Güte, Madonna! Sie sind wirklich eine außergewöhnliche Frau. Wissen Sie eigentlich, wie selten solche Offenheit ist?«
    »Ja«, gab ich zu, »aber so bin ich nun mal. Es liegt mir nicht, erst lange auf den Busch zu klopfen.« Ich streckte die Hand aus und nahm ihm das Fläschchen ab. »Haben Sie denn etwas gehört?«
    Unwillkürlich blickte er zu der zweigeteilten Tür, doch das Ladenmädchen war nur damit beschäftigt, für eine redselige Kundin Parfüm zu mischen.
    »Eine Kleinigkeit, Madonna, nur eine beiläufige Bemerkung im Brief eines Freundes - aber die Antwort lautet eindeutig ja.«
    Mir entging nicht, daß er überlegte, wieviel er mir erzählen durfte. Einstweilen betrachtete ich eingehend das Fläschchen in
meiner Hand, um ihm Zeit zu lassen, seine Entscheidung zu treffen. Für seine Größe war es merkwürdig schwer, und der Inhalt war so dicht und gleichzeitig so beweglich wie flüssiges Metall.
    »Quecksilber«, beantwortete Maitre Raymond meine unausgesprochene Frage. Offenbar hatte er zu meinen Gunsten entschieden, denn er nahm das Fläschchen wieder an sich, goß den Inhalt auf den Tisch, so daß ein kleiner glänzender See entstand, und lehnte sich zurück, um mir zu berichten, was er wußte.
    »Einer der Agenten seiner Hoheit hat Nachforschungen in Holland angestellt«, sagte er. »Ein Mann namens O’Brien - und hoffentlich stelle ich nie jemanden ein, der so ungeeignet für seine Aufgabe ist wie er«, fügte er hinzu. »Ein Geheimagent, der maßlos trinkt?«
    »In Charles Stuarts Kreisen trinken alle Leute maßlos«, bemerkte ich. »Was hat O’Brien getan?«
    »Er wollte Verhandlungen über eine Schiffsladung Breitschwerter führen. Zweitausend Breitschwerter, die in Spanien gekauft und über Holland versandt werden sollen, um ihre Herkunft zu verschleiern.«
    »Was will er damit bezwecken?« fragte ich. Ich war mir nicht sicher, ob ich von Natur aus dumm oder nur von dem Likör benebelt war, aber das Ganze erschien mir ein sinnloses Unterfangen, selbst für Charles Stuart.
    Raymond zuckte die Achseln und stupste die Quecksilberpfütze mit dem Zeigefinger an.
    »Immerhin kann man Mutmaßungen anstellen, Madonna. Der spanische König ist ein Vetter des schottischen Königs, nicht wahr? Ebenso wie unser guter König Louis.«
    »Ja, aber...«
    »Könnte es nicht sein, daß er die Sache der Stuarts unterstützen möchte, aber nicht in aller Öffentlichkeit?«
    Der Alkoholnebel in meinem Hirn verflüchtigte sich.
    »Vielleicht.«
    Raymond klopfte energisch auf den Tisch, so daß die Quecksilberpfütze in mehrere Kügelchen zersprang, die in einem wilden Tanz über die Tischplatte hüpften.
    »Wie man hört«, sagte Raymond leise, die Augen nach wie vor auf die silbernen Tröpfchen gerichtet, »ist ein englischer Herzog bei König Louis in Versailles zu Gast. Es heißt auch, daß der Herzog
deswegen hier ist, um Handelsvereinbarungen zu treffen. Aber was man hört, ist nicht immer die ganze Wahrheit, Madonna.«
    Auch ich betrachtete die zitternden Quecksilbertropfen und versuchte, mir einen Reim auf die Geschichte zu machen. Jamie hatte ebenfalls das Gerücht gehört, daß es bei Sandringhams Mission nicht nur um Handelsrechte ging. Was, wenn der Besuch des Herzogs auf ein mögliches Abkommen zwischen Frankreich und England zielte - vielleicht in Hinblick auf die Zukunft Brüssels? Und wenn Louis heimlich mit England verhandelte, um Unterstützung für seine Invasion in Brüssel zu bekommen - was mochte dann Philipp von Spanien unternehmen, wenn sich ein mittelloser Verwandter an ihn wandte, der die Macht besaß, die Engländer von außenpolitischen Abenteuern abzuhalten?
    »Drei bourbonische Vettern«, murmelte Raymond vor sich hin. Er trieb ein Tröpfchen auf ein anderes zu. Sobald sie sich berührten, verschmolzen sie zu einem glänzenden Tropfen - wie durch Zauberhand zu einem Ball gerundet. »Von einem Blute. Aber verfolgen sie auch ein Ziel?«
    Der Finger stieß wieder zu, und die glitzernden Fragmente kugelten in alle Richtungen über die Tischplatte.
    »Ich glaube nicht, Madonna«, sagte Raymond leise.
    »Verstehe«, sagte ich seufzend. »Und was halten Sie von den neuen Geschäftsbeziehungen zwischen Charles Stuart und dem Comte de St. Germain?«
    Das

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