Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Schulferien heimkehrte. Sie und der Reverend bildeten ein seltsames Paar, doch auf ihre Weise hatten sie das alte Haus zu einem Heim gemacht.
    Gerührt von seinen Erinnerungen, griff Roger nach Fionas Hand und drückte sie. Sie erwiderte seinen Druck mit schmelzendem Blick. Der kleine Rosenknospenmund öffnete sich, und sie beugte sich so weit vor, daß ihr warmer Atem an sein Ohr strich.
    »Tja, vielen Dank«, platzte Roger heraus. Hastig zog er die Hand fort, als hätte er sich verbrannt. »Danke für... äh... den Tee und so. Gut. Er war gut. Sehr gut. Danke.« Dann wandte er sich ab. Um seine Verwirrung zu überspielen, griff er in das nächstbeste Fach und zog die zusammengerollten Zeitungsausschnitte heraus, die er dort vorfand.
    Verlegen strich er die vergilbten Seiten glatt und breitete sie auf dem Schreibtisch aus. Dann beugte er sich mit gerunzelter Stirn, die tiefe Konzentration suggerieren sollte, über die verblaßte Schrift. Nach einem kurzen Augenblick erhob sich Fiona seufzend und ging zur Tür. Roger sah nicht auf.

    Statt dessen seufzte auch er und dankte dem Himmel mit geschlossenen Augen für seine Rettung. Fiona besaß ihre Reize. Außerdem war sie eine gute Köchin. Aber sie war auch neugierig, besitzergreifend, nervtötend und unzweifelhaft auf Heirat versessen. Wenn er noch einmal dieses zarte, rosige Fleisch berührte, konnte er im nächsten Monat das Aufgebot bestellen. Aber wenn es nach ihm ging, würde der Name, der neben dem seinen ins Kirschenregister eingetragen werden würde, Brianna Randall lauten.
    Während Roger überlegte, wie groß sein Mitspracherecht in dieser Angelegenheit sein würde, öffnete er die Augen. Verwundert blinzelte er, denn der Name, den er sich eben noch auf seiner Heiratsurkunde vorgestellt hatte, sprang ihm jetzt von der Zeitungsseite ins Auge - Randall.
    Natürlich nicht Brianna Randall, sondern Claire. Unter der Überschrift ZURÜCKGEKEHRT VON DEN TOTEN! hatte man ihr Bild abgedruckt - Claire, nur zwanzig Jahre jünger. Sie sah nicht viel anders aus als heute, abgesehen von ihrem Gesichtsausdruck. Aufrecht saß sie in einem Krankenhausbett. Ihre ungekämmten Haare standen nach allen Seiten ab, der Mund war geschlossen, als wäre er versiegelt, und ihre außergewöhnlichen Augen starrten zornig in die Kamera.
    Entsetzt blätterte Roger die Zeitungsausschnitte durch. Dann begann er, sorgfältig zu lesen. Leider lieferten sie wenig Konkretes, obwohl sie die spektakulären Ereignisse bis zum letzten ausschlachteten.
    Im Frühling des Jahres 1945 war die Frau des angesehenen Historikers Dr. Franklin W. Randall während eines Ferienaufenthalts in Inverness plötzlich verschwunden. Das Auto, mit dem sie unterwegs gewesen war, hatte man sicherstellen können, doch von der Frau fehlte jede Spur. Da alles Suchen ergebnislos blieb, kamen Polizei und Ehemann schließlich zu dem Schluß, Claire sei - vielleicht von einem Landstreicher - ermordet und ihr Leichnam irgendwo in den Bergen versteckt worden.
    1948, nach fast genau drei Jahren, war Claire Randall jedoch zurückgekehrt. Abgerissen und zerlumpt fand man sie nicht weit von der Stelle, wo sie verschwunden war. Abgesehen von einer leichten Unterernährung schien sie gesund, doch geistig war Mrs. Randall verwirrt und desorientiert.
    Roger, der sich eine verwirrte und desorientierte Claire nicht
vorstellen konnte, runzelte die Stirn. Aber aus den restlichen Zeitungsausschnitten erfuhr er nicht mehr, als daß man Mrs. Randall wegen Erschöpfung und Schock im städtischen Krankenhaus behandelt hatte. Er stieß auf ein Foto des vermeintlich überglücklichen Ehemanns, doch Frank Randall wirkte eher fassungslos als glücklich. War ja auch kein Wunder.
    Neugierig betrachtete er das Bild. Frank Randall war ein schlanker, attraktiver, aristokratisch aussehender Mann mit dunklen Haaren. Mit verwegener Anmut lehnte er an der Krankenhaustür, wo ihn der Fotograf auf dem Weg zu seiner gerade wiedergefundenen Frau offensichtlich überrascht hatte.
    Roger merkte, daß er in der langen, hohen Wangenlinie und der Rundung des Schädels nach Spuren suchte, die ihn an Brianna erinnerten. Fasziniert von diesem Aspekt stand er auf und holte eines von Frank Randalls Büchern aus dem Regal. Hinten auf dem Umschlag fand er ein besseres Foto, ein Farbporträt. Nein, sein Haar war dunkelbraun und ohne jeden rötlichen Schimmer. Die rote Pracht und auch die tiefblauen Katzenaugen mußten von den Großeltern stammen. Sosehr sich Roger auch

Weitere Kostenlose Bücher