Die Geliehene Zeit
der Erklärung, so daß ich von Klatschbasen aus der Nachbarschaft erfahren mußte, was passiert war?
»Du hast es mir versprochen, Jamie, verdammt sollst du sein, du hast es mir versprochen!« flüsterte ich. Der Wald war still, tropfnaß, nebelverhüllt. Waren sie schon da? Würden sie sich hier treffen? Hatte ich mich geirrt?
Der Kutscher kam zurück in Begleitung eines vielleicht vierzehnjährigen Jungen, der behende auf den Kutschbock sprang und mit einer ausladenden Handbewegung nach links wies. Der Kutscher ließ die Peitsche knallen und schnalzte mit der Zunge, so daß die Pferde in einen langsamen Trab fielen, und wir bogen in den Weg ein, der in die Schatten des erwachenden Waldes führte.
Zweimal hielten wir an, der Junge sprang vom Kutschbock und verschwand im Unterholz, kam jedoch nach kurzer Zeit wieder und schüttelte den Kopf. Als er beim drittenmal wiederkehrte, stand ihm die Erregung so deutlich ins Gesicht geschrieben, daß ich den Wagenschlag schon geöffnet hatte, bevor der Junge dem Kutscher etwas zurufen konnte.
Das Geld hatte ich schon in der Hand. Ich warf es ihm zu, packte ihn am Ärmel und sagte: »Zeig mir, wo sie sind! Rasch, beeil dich!«
Die Zweige, die mir ins Gesicht schlugen, bemerkte ich ebensowenig wie die Nässe, die in meine Kleider drang, als ich die Blätter streifte.
Ich hörte sie, bevor ich sie sah. Sie hatten bereits angefangen. Das Klirren der Waffen wurde durch das feuchte Laubwerk gedämpft, war aber deutlich vernehmbar. Kein Vogel sang an diesem Morgen, doch die tödliche Stimme des Kampfes klang mir in den Ohren.
Die beiden fochten im Hemd; sie waren vom Regen durchnäßt, so daß sich Schultern und Rücken deutlich abzeichneten.
Jamie hatte gesagt, er sei der bessere Kämpfer. Vielleicht war das richtig, aber auch Jonathan Randall verstand es, das Schwert zu führen. Geschmeidig wie eine Schlange wich er den Schlägen aus, sein Schwert blitzte auf wie ein silberner Reißzahn. Jamie war nicht minder schnell, verblüffend anmutig für seine Größe, leichtfüßig und sicher. Wie angewurzelt stand ich da und wagte nicht, nach Jamie zu rufen, um ihn nicht abzulenken. Hiebe austeilend und parierend, tänzelten sie behende über den weichen Boden.
Reglos beobachtete ich sie. Vor Tagesanbruch war ich aufgebrochen,
um sie aufzuspüren und aufzuhalten. Und jetzt, wo ich sie gefunden hatte, durfte ich nicht eingreifen, weil eine Störung verhängnisvoll sein konnte. Es blieb mir nichts anderes übrig, als abzuwarten, welcher von beiden sterben würde.
Randall hob sein Schwert, um einen Schlag abzuwehren, war aber nicht schnell genug - auf die Wucht des Hiebes, der ihm die Waffe aus der Hand schlug, war er nicht gefaßt.
Ich öffnete den Mund, um zu schreien. Ich wollte Jamies Namen rufen, um ihn jetzt zu bremsen, in dem Augenblick, der mir noch blieb, zwischen der Entwaffnung des Gegners und dem Todesstoß, der folgen mußte. Tatsächlich kam ein Schrei über meine Lippen, aber er klang schwach und erstickt. Während ich dastand und den Kampf beobachtete, fuhr mir ein stechender Schmerz durch den Rücken. Ich hatte das Gefühl, daß etwas in mir brach. Blind tastend griff ich nach dem nächstbesten Zweig. Ich sah Jamies Gesicht, von stillem Jubel erfüllt, und mir wurde klar, daß er durch den Nebel der Gewalt, der ihn umgab, nichts hörte und nichts sah. Randall, vor der erbarmungslosen Klinge zurückweichend, rutschte auf dem nassen Gras aus und ging in die Knie. Er versuchte aufzustehen, was ihm auf dem glitschigen Boden nicht gelang. Sein Halstuch war zerrissen und sein Hals entblößt.
Wie durch einen Nebel sah ich Jamies Schwert niedersausen, elegant und gnadenlos, kalt wie der Tod. Die Spitze berührte die Taille am Bund der Rehlederhose, stach zu und fuhr mit einer raschen Drehbewegung nach unten, so daß sich das Leder tiefrot verfärbte.
Blut strömte heiß über meine Schenkel, und die Kälte drang in meinen Körper ein, bis in die Knochen. Die Verbindung zwischen Becken und Rücken schien zu zerbrechen. Ich spürte die Spannung mit jeder Welle des Schmerzes, die mein Rückgrat hinunterfuhr und im Unterleib explodierte, ein zerstörerischer Schlag der verbrannte Erde zurückließ.
Mit meinem Körper schien auch mein Verstand in die Brüche zu gehen. Ich sah nichts, wußte aber nicht, ob ich die Augen geöffnet oder geschlossen hatte. Alles löste sich in einem schwarzen Wirbel auf, in dem hie und da Muster aufblitzten.
Der Regen prasselte auf mein
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