Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
Vom Netzwerk:
Sie stören ihren Schlaf. Fort mit Ihnen!« Unnachgiebig packte Mutter Hildegarde Raymond am Arm und zerrte ihn weg. Er widerstand, die Füße fest in den Boden gestemmt. Aber Schwester Celeste kam mit ihren nicht geringen Kräften Mutter Hildegarde zu Hilfe, und gemeinsam hoben sie Raymond einfach hoch. Als sie sich entfernten, purzelte ein Holzschuh von einem verzweifelt zappelnden Fuß und fiel zu Boden.
    Der Holzschuh blieb auf der Seite liegen, wie er hingefallen war, mitten auf einer sauber geschrubbten Steinfliese. In meinem Fieberdelirium konnte ich die Augen nicht davon abwenden. Immer wieder musterte ich die unwahrscheinlich glatte, abgenutzte Kante, um meinen Blick nicht auf die undurchdringliche Dunkelheit in meinem Innern richten zu müssen. Wenn ich in diese Dunkelheit hineingehen würde, würde meine Seele in den Sog des Chaos geraten. Sobald ich den Blick nach innen richtete, hörte ich wieder die Geräusche der Zeitreise durch den Steinkreis, und ich klammerte mich an die Bettdecke, um in dem Durcheinander Halt zu finden.
    Plötzlich öffneten sich die Vorhänge, eine Hand griff nach dem Schuh und zog sich wieder zurück. Nachdem man mir meinen Fixpunkt genommen hatte, kreisten meine konfusen Gedanken noch eine Zeitlang um die Furchen zwischen den Fliesen. Ihre geometrische Regelmäßigkeit wirkte einlullend. Torkelnd wie ein Kreisel, der zum Stillstand kommt, glitt ich in einen unruhigen Schlaf.
    In meinen Träumen fand ich jedoch keine Ruhe. Erschöpft taumelte ich durch ein Labyrinth sich wiederholender Formen, Windungen und Spiralen, bis ich schließlich mit unendlicher Erleichterung ein menschliches Gesicht erkannte.
    Es waren sehr unregelmäßige Gesichtszüge, von einem furchtbaren
Stirnrunzeln verzerrt, der Mund beschwörend gespitzt. Erst als ich den Druck einer Hand auf meinem Mund verspürte, merkte ich, daß es kein Traum war.
    Der breite, lippenlose Mund der grotesken Erscheinung näherte sich meinem Ohr.
    »Seien Sie ruhig, ma chére. Wenn man mich hier findet, bin ich erledigt!« Die großen dunklen Augen huschten hin und her, um etwaige Bewegungen der Vorhänge zu erspähen.
    Ich nickte langsam, und als er meinen Mund losließ, hinterließen seine Finger einen Hauch von Salmiakgeist und Schwefel. Irgendwo hatte er eine schäbige, graue Mönchskutte gefunden - oder gestohlen -, unter der er den angeschmutzten Samt seiner Apothekerrobe verbarg, während die weite Kapuze das auffällige Silberhaar und die monströse Stirn bedeckte.
    Der Fieberwahn legte sich ein wenig, und eine leise Neugier regte sich in mir. Schwach, wie ich war, brachte ich aber nur ein: »Was...« heraus, als er mir wiederum einen Finger auf die Lippen legte und das Laken wegzog, das mich bedeckte. Verwirrt sah ich, wie er die Bänder meines Hemdes löste und es bis zur Taille öffnete. Seine Bewegungen waren flink, geschäftsmäßig und vollkommen frei von Lüsternheit. Auch konnte ich mir nicht vorstellen, daß sich jemand an einer fiebergeschüttelten Halbtoten verging, vor allem nicht in Mutter Hildegardes Hörweite. Aber man konnte nie wissen...
    Fasziniert, aber distanziert beobachtete ich, wie seine Hände meine Brüste umfaßten. Sie waren breit, nahezu quadratisch, die Finger fast gleich lang, und die ungewöhnlich großen, biegsamen Daumen legten sich erstaunlich behutsam um meine Brüste.
    Ich spürte, wie meine sich versteifenden Brustwarzen gegen die harten Handflächen gepreßt wurden, die sich im Vergleich zu meiner erhitzten Haut kühl anfühlten.
    »Jamie«, sagte ich und schauderte.
    »Still, Madonna«, flüsterte Raymond. Seine Stimme klang freundlich, aber gedankenverloren, als wäre er - ungeachtet der intimen Berührung - mit seiner Aufmerksamkeit woanders.
    Wieder schauderte ich. Es schien, als ginge die Hitze von mir auf ihn über, obwohl sich seine Hände nicht erwärmten. Seine Finger blieben kühl, während ich fror und zitterte und das Fieber stieg und fiel und allmählich aus meinen Knochen wich.

    Das Nachmittagslicht drang gedämpft durch die dichten Gazevorhänge um mein Bett, so daß sich Raymonds Hände dunkel auf meinen hellen Brüsten abzeichneten. Die Schatten zwischen den kräftigen Fingern erschienen mir jedoch nicht schwarz, sondern... blau.
    Ich schloß die Augen und sah bunte, wirbelnde Muster vor mir. Als ich die Augen wieder aufschlug, hatte ich den Eindruck, daß auch Raymonds Hände von Farbe umgeben waren.
    Da das Fieber sank, konnte ich klarer denken. Ich blinzelte und

Weitere Kostenlose Bücher