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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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aus, was ich dachte, so daß ich mich überrascht an meiner Schokolade verschluckte. Daß sie sich überhaupt mit Rogers Rückkehr beschäftigte, brachte mich zu der Überlegung, welche Bedeutung der junge Mr. Wakefield für sie hatte.
    Keine geringe, wie es schien.
    »Ich habe mir überlegt«, sagte sie beiläufig, »daß wir für Roger Wakefield ein Geschenk besorgen sollten, wenn wir schon beim Einkaufen sind - als Dank für die Nachforschungen, die er für dich übernommen hat.«

    »Eine gute Idee«, pflichtete ich amüsiert bei. »Und was könnte ihm deiner Meinung nach gefallen?«
    Sie blickte mit gerunzelter Stirn in ihre Kakaotasse, als erwartete sie sich von dort eine Inspiration. »Keine Ahnung. Irgendwas Nettes. Schließlich kann das Projekt noch mit beträchtlicher Arbeit verbunden sein.« Fragend blickte sie dann auf.
    »Warum hast du ihn eigentlich darum gebeten?« fragte sie forschend. »Wenn es um Personen aus dem achtzehnten Jahrhundert geht, hättest du auch eine Firma damit beauftragen können, die so etwas übernimmt. Ahnenforschung und ähnliches. Dad hat sich doch auch immer an Scot-Search gewandt, wenn er genealogische Fragen hatte und sich aus Zeitgründen nicht selbst damit beschäftigen konnte.«
    »Ja, ich weiß«, erwiderte ich und holte tief Luft. Jetzt galt es aufzupassen. »Dieses Projekt hatte für... für deinen Vater eine besondere Bedeutung. Er hätte gewollt, daß Roger Wakefield es übernimmt.«
    »Ach so.« Sie schwieg und betrachtete die Regentropfen, die gegen die Fensterscheibe prasselten.
    »Fehlt dir Daddy sehr?« fragte sie plötzlich, die Nase in der Kakaotasse verborgen, um mich nicht ansehen zu müssen.
    »Ja«, antwortete ich. Ich ließ den Finger über den Rand meiner Tasse gleiten, um einen Tropfen Schokolade abzuwischen. »Wie du weißt, hatten wir so unsere Probleme, aber trotzdem... Wir haben uns respektiert, und das macht vieles wett. Vor allem aber mochten wir uns. Ja, er fehlt mir sehr.«
    Sie nickte schweigend und drückte meine Hand. Ich umschloß ihre langen warmen Finger, und in inniger Verbundenheit saßen wir eine Weile stumm da und tranken unsere Schokolade.
    »Ich habe etwas vergessen«, sagte ich schließlich und schob meinen Stuhl resolut zurück. »Auf dem Weg in die Stadt wollte ich einen Brief ans Krankenhaus aufgeben. Wenn ich mich beeile, wird er heute wohl noch mitgenommen. Geh doch schon mal vor ins Kiltgeschäft - es ist ein Stück die Straße hinunter auf der anderen Seite -, ich komme nach, sobald ich auf der Post fertig bin.«
    Brianna wirkte zwar überrascht, doch sie nickte bereitwillig.
    »Ja, gut. Aber ist es nicht zu weit zur Post? Du wirst klatschnaß.«
    »Kein Problem. Ich nehme ein Taxi.« Ich legte eine Pfundnote auf den Tisch und zog meinen feuchten Regenmantel an.

    In den meisten Städten begegnet man bei Regenwetter dem Phänomen, daß sämtliche Taxis urplötzlich verschwunden sind. Anders in Inverness, denn hier hätte das zum Aussterben dieser Gattung geführt. Ich brauchte nicht einmal bis zur nächsten Straßenecke zu gehen, bis ich auf zwei der gedrungenen schwarzen Karossen stieß. Mit einem angenehmen Gefühl der Vertrautheit stieg ich in den warmen, rauchgeschwängerten Innenraum. Britische Taxis bieten nicht nur größere Bequemlichkeit und Beinfreiheit als amerikanische, sie riechen auch anders. Ich merkte erst jetzt, wie mir das in den letzten zwanzig Jahren gefehlt hatte.
    »Nummer vierundsechzig? Das ist das alte Pfarrhaus, nicht wahr?« Obwohl die Heizung auf Hochtouren lief, hatte sich der Fahrer bis zu den Ohren in Schal und Jacke vergraben und seinen Kopf mit einer Schirmmütze geschützt. Die heutigen Schotten sind wohl ein wenig verweichlicht, dachte ich. Ganz anders als die kräftigen Hochlandschotten, die nur mit Plaid und Kilt bekleidet im Freien geschlafen hatten. Andererseits verspürte auch ich kein großes Verlangen, lediglich mit einer feuchten Decke ausgestattet im Freien zu schlafen. Ich nickte dem Fahrer zu, und er fuhr davon, daß das Wasser aufspritzte.
    Es kam mir ein wenig unehrenhaft vor, Rogers Haushälterin auszufragen, während er selbst nicht da war, und Brianna hinters Licht zu führen. Andererseits wußte ich nicht, was ich den beiden als Erklärung hätte sagen sollen. Noch hatte ich nicht entschieden, wann und wie ich es ihnen erzählen sollte; ich wußte lediglich, daß der richtige Zeitpunkt dafür noch nicht gekommen war.
    Ich fuhr mit der Hand in die Tasche meines Regenmantels

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