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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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angeordnet, die beiden unteren bildeten ein aufgeschlagenes Buch, die Bibel. Holyrood war früher eine Abtei gewesen.
    »Wollen wir in die Kirche gehen? Dort könnten wir ungestört reden.« Das war richtig; die Kirche neben dem Palast, die einstige Abteikirche, wurde schon lange nicht mehr benutzt. Ich zögerte.
    »Überlegen Sie doch!« Er schüttelte mich, ließ mich dann aber los und trat einen Schritt zurück. Im Schein des Kerzenlichts konnte ich ihn nur undeutlich erkennen. »Weshalb sollte ich das Risiko auf mich nehmen, den Palast zu betreten?«
    Das war eine gute Frage. Sobald er in seiner Verkleidung die Burg
verlassen hatte, konnte er sich in den Straßen von Edinburgh frei bewegen. Er hätte mir ebensogut in einem Gäßchen auflauern können. Die einzig plausible Erklärung hatte er bereits selbst gegeben: Er wollte mit mir sprechen, ohne Gefahr zu laufen, entdeckt und belauscht zu werden.
    Als er merkte, daß ich bereit war, mich auf seinen Vorschlag einzulassen, ließ er erleichtert die Schultern sinken. Er hielt mir den Umhang hin, so daß ich hineinschlüpfen konnte.
    »Sie haben mein Wort, daß Sie unbeschadet wieder nach Hause gehen können, Madam.«
    Ich versuchte, in seinem Gesicht zu lesen, aber seine versteinerte Miene verriet nichts.
    Ich nahm den Umhang.
    »Also gut«, nickte ich.
    Wir passierten den Wachposten, der mich mit einem Kopfnicken begrüßte. Die Wachen kannten mich. Es war durchaus nicht ungewöhnlich, daß ich nachts noch unterwegs war, um in der Stadt einen dringenden Krankenbesuch zu machen. Der Wachposten musterte Jack Randall mit scharfem Blick - gewöhnlich begleitete mich Murtagh, wenn Jamie verhindert war -, aber der unauffällig gekleidete Randall erregte keinerlei Aufsehen. Er erwiderte diesen Blick gleichgültig, das Tor des Palastes schloß sich hinter uns, und wir traten hinaus in den dunklen Steingarten.
    Es hatte gestürmt und geregnet, doch der Sturm flaute allmählich ab. Dicke Wolkenfetzen zogen über uns hinweg, der Wind fuhr mir unter den Mantel und klatschte mir den Rock an die Beine.
    »Hier entlang.« Ich zog den schweren Samtumhang enger um mich, beugte den Kopf gegen den Wind und folgte Jack Randall auf dem Pfad durch den Steingarten.
    Als wir den Garten hinter uns hatten, drehten wir uns kurz um, um uns zu vergewissern, daß uns niemand folgte, und eilten dann durch das Gras auf das Kirchenportal zu.
    Die verzogene Tür stand angelehnt. Ich stieg über das am Boden aufgehäufte Laub und den Unrat hinweg und tauchte in den dunklen Schatten der Kirche.
    Doch auch hier war es nicht ganz finster. Als sich meine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten, konnte ich die Säulenreihen des Kirchenschiffs erkennen und die feinen Steinmetzarbeiten an den hohen, leeren Fenstern.

    Eine Bewegung in der Dunkelheit verriet mir, wohin Randall gegangen war. Er stand neben den Überresten eines Taufbeckens. Rechts und links davon befanden sich verblaßte Rechtecke an der Wand - die Gedenktafeln für jene, die in der Kirche begraben worden waren.
    »Gut«, sagte ich, »hier kann uns niemand hören. Was wollen Sie von mir?«
    »Ich benötige Ihre Kenntnisse als Heilerin und erbitte Ihre Verschwiegenheit. Im Austausch dafür erhalten Sie die Informationen, die ich über die Truppenbewegungen und die weiteren Pläne des Kurfürsten besitze«, erwiderte er knapp.
    Ich war ehrlich verblüfft. Alles mögliche hatte ich erwartet, darauf aber war ich nicht gefaßt gewesen. Er wollte doch wohl nicht sagen...
    »Sie brauchen ärztliche Hilfe?« fragte ich, ohne meine Erregung zu verbergen. »Meine Hilfe? Ich glaubte, daß Sie... äh, ich meine...« Mit großer Selbstbeherrschung gelang es mir, ruhig fortzufahren. »Gewiß haben Sie bereits die notwendige ärztliche Behandlung erhalten. Sie scheinen in guter Verfassung zu sein.« Zumindest nach außen hin. Ich biß mir auf die Lippen, um die aufsteigende Hysterie zu bezähmen.
    »Man hat mir gesagt, ich könne von Glück reden, daß ich noch am Leben bin, Madam«, erwiderte er kalt. Er stellte seine Laterne in eine Nische.
    »Ich vermute, Ihr Interesse entspringt eher fachlicher Neugier als der Sorge um meine Person«, fuhr er fort. Das Licht der Laterne beleuchtete ihn von der Hüfte an abwärts, Kopf und Schultern blieben im Dunkeln. Er legte eine Hand auf den Bund seine Kniehose.
    »Möchten Sie die Narbe sehen, um den Erfolg der Behandlung begutachten zu können?« Sein Gesicht war nicht deutlich zu erkennen, aber in seiner Stimme

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