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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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angenehme Stimme aus dem Halbschatten. »Hat er Ihnen alles erzählt, was zwischen uns geschehen ist, zwischen ihm und mir, in dem kleinen Zimmer in Wentworth?« Ich war entsetzt und wütend, doch mir fiel auf, daß er sich an Jamies Verbot hielt: Er sprach nicht ein einziges Mal Jamies Namen aus. Sein Name gehörte mir.
    Zwischen zusammengebissenen Zähnen preßte ich hervor: »Er hat es mir erzählt. Alles.«

    Randall stieß einen Seufzer aus.
    »Ob Ihnen der Gedanke gefällt oder nicht, meine Liebe, wir sind miteinander verbunden, Sie und ich. Ich kann nicht behaupten, daß es mir sonderlich gefällt, aber ich muß es zugeben. Sie wissen, genau wie ich, wie sich seine Hand anfühlt - so warm, wie von einem inneren Feuer, nicht wahr? Sie kennen den Geruch seines Schweißes und haben die rauhe Behaarung seiner Schenkel gespürt. Sie kennen den Laut, den er ausstößt, wenn er sich vergißt. Ich auch.«
    »Seien Sie still«, sagte ich. » Hören Sie auf!« Er achtete nicht darauf, lehnte sich zurück und sprach weiter, wie zu sich selbst. Ich erkannte, was ihn dazu trieb, und es machte mich nur noch rasender - nicht, wie ich zunächst gemeint hatte, die Absicht, mich aus der Fassung zu bringen, sondern ein alles überwältigendes Bedürfnis, von dem Geliebten zu sprechen. Denn mit wem konnte er in dieser Art über Jamie sprechen, wenn nicht mit mir?
    »Ich gehe!« sagte ich mit lauter Stimme und drehte mich auf dem Absatz um.
    »Sie wollen gehen?« fragte die sanfte Stimme hinter mir. »Ich kann Ihnen General Hawley in die Hände spielen. Sie können aber auch zulassen, daß er das schottische Heer besiegt. Die Wahl liegt bei Ihnen, Madam.«
    Ich hatte das starke Bedürfnis, ihm zu sagen, daß General Hawley die Sache nicht wert war. Aber ich dachte an die schottischen Clanführer, die jetzt in Holyrood lagerten, nur wenige Meter von uns entfernt. Und an Jamie. An die Tausenden von Clansmännern, die sie führten. War die Aussicht auf einen Sieg es wert, daß ich meine Gefühle opferte? War dies vielleicht der Wendepunkt - ein erneuter Scheideweg? Wenn ich ihm nicht zuhörte, wenn ich den Handel nicht akzeptierte, den mir Randall vorschlug, was dann?
    Langsam drehte ich mich um. »So sprechen Sie«, sagte ich. »Wenn es denn sein muß.« Meine Wut ließ ihn kalt, auch schien er nicht zu befürchten, daß ich ihn abwies. Die Stimme in der finsteren Kirchenruine klang ruhig und beherrscht.
    »Ich frage mich manchmal«, fuhr er fort, »ob Sie von ihm soviel bekommen haben wie ich.« Er neigte den Kopf zur Seite, und seine scharf umrissenen Gesichtszüge waren jetzt deutlich zu erkennen. Das Laternenlicht strahlte ihn von der Seite an und ließ seine haselnußbraunen Augen glänzen.

    Der Triumph in seiner Stimme war unverkennbar.
    »Ich«, sagte er sanft, »ich hatte ihn, wie Sie ihn niemals werden haben können. Sie sind eine Frau. Sie können das nicht verstehen, auch wenn Sie eine Hexe sind. Ich hatte seine Männlichkeit, ich habe ihm genommen, was er mir genommen hat. Ich kenne ihn, so wie er mich kennt. Er und ich, wir sind durch Blutsbande miteinander verknüpft.«
    Ich schenke dir meinen Leib, auf daß wir eins sein mögen...
    »Sie wählen eine höchst seltsame Weise, mich um Hilfe zu bitten«, sagte ich mit zitternder Stimme. Meine Hände gruben sich in den Stoff meines Rockes, der sich klamm anfühlte.
    »Meinen Sie? Verstehen Sie mich nicht falsch, Madam: Ich erflehe nicht Ihr Mitleid, ich beschwöre nicht Ihre Macht wie ein Mann, der Erbarmen bei einer Frau sucht und dabei auf das sogenannte weibliche Mitgefühl hofft. Ginge es nur darum, würden Sie meinen Bruder auch um seiner selbst willen aufsuchen.« Eine Strähne seines dunklen Haares fiel ihm in die Stirn; er strich sie mit der Hand zurück.
    »Mir geht es um einen klaren Handel, Madam; für den erwiesenen Dienst wird ein entsprechender Preis bezahlt - denn bedenken Sie, Madam, daß ich für Sie nichts anderes empfinde als Sie für mich.«
    Das war ein Schock. Während ich noch um eine Antwort rang, fuhr er fort.
    »Wir sind miteinander verbunden, Sie und ich, durch den Leib eines Mannes - durch ihn. Ich möchte nicht, daß durch den Leib meines Bruders eine ähnliche Verbindung entsteht. Ich erbitte Ihre Hilfe für seine Heilung, aber ich möchte nicht riskieren, daß seine Seele in Ihre Hände fällt. Sagen Sie mir also: Akzeptieren Sie den Preis, den ich biete?«
    Ich wandte mich von ihm ab und durchquerte langsam das Kirchenschiff. Ich zitterte

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