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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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denn das Feuer war inzwischen erloschen -, aber in unmittelbarer Nähe herrschte der reinste Tumult. Etwas Schweres war auf dem Bett gelandet und hatte dabei meinen Arm gestreift, und dieses Etwas trug sich offenbar mit der Absicht, Mary zu ermorden.
    Das Bett hob und senkte sich, die Matratze unter mir kippte bedenklich, und das Bettgestell erbebte. Qualvolles Stöhnen und leise Drohungen drangen an mein Ohr, und eine Hand schlug mir ins Auge.
    Hastig rollte ich mich aus dem Bett, stolperte die Podeststufe hinunter und fiel der Länge nach auf den Boden. Die Rauferei schien noch heftiger zu werden, und ich hörte ein schreckliches, ersticktes Quieken - wahrscheinlich versuchte Mary zu schreien, während sie erwürgt wurde.

    Plötzlich ertönte ein verblüffter Ruf aus einer männlichen Kehle, dann wurden noch einmal Bettdecken durcheinandergeworfen, und die Schreie erstarben. Fieberhaft tastete ich umher, fand die Zunderdose auf dem Tisch und zündete eine Kerze an. Das flakkernde Flämmchen wurde größer und ruhiger und offenbarte das, was ich schon vermutet hatte, als ich jene gälischen Flüche hörte - Mary, von der man nichts sah außer wild um sich schlagenden Armen, und bäuchlings auf ihr meinen sichtlich aufgebrachten Gatten, der trotz seiner körperlichen Überlegenheit buchstäblich alle Hände voll zu tun hatte.
    Da er voll und ganz damit beschäftigt war, Mary zu bändigen, hatte er nicht einmal von der gerade entzündeten Kerze Notiz genommen. Statt dessen versuchte er, ihre Hände zu packen, während er ihr gleichzeitig das Kissen aufs Gesicht drückte. Ich unterdrückte das hysterische Lachen, das angesichts dieses Spektakels in mir aufstieg, stellte die Kerze ab, beugte mich übers Bett und klopfte ihm auf die Schulter.
    »Jamie?«
    »Herrgott!« Er sprang hoch wie ein Lachs und landete in geduckter Haltung, die Hand am Dolch, auf dem Fußboden. Dann sah er mich, sackte erleichtert zusammen und schloß die Augen.
    »Bei Gott, Sassenach! Tu das nie wieder, hörst du? Seien Sie still«, fuhr er Mary an, die das Kissen abgeschüttelt hatte, aufrecht im Bett saß, keuchte und große Augen machte. »Ich wollte Ihnen nichts tun. Ich dachte, Sie sind meine Frau.« Er umrundete das Bett, nahm mich an beiden Schultern und küßte mich so fest, als wollte er sichergehen, daß er jetzt die richtige Frau in den Armen hielt. Ich erwiderte seinen Kuß leidenschaftlich, rieb mich an seinem unrasierten Kinn und sog seinen Duft nach feuchtem Leinen und Wolle und Schweiß ein.
    »Zieh dich an«, befahl er, als er mich losließ. »In diesem verdammten Haus wimmelt es nur so von Dienstboten. Unten geht’s zu wie in einem Ameisenhaufen.«
    »Wie bist du hereingekommen?« fragte ich und sah mich nach meinem Kleid um.
    »Durch die Tür natürlich«, erwiderte er ungeduldig. »Hier.« Er nahm mein Kleid von einem Stuhl und warf es mir zu. Tatsächlich stand die massive Tür offen, und ein ansehnlicher Schlüsselbund baumelte am Schloß.

    »Aber wie...«, begann ich.
    »Später«, entgegnete er schroff. Dann sah er Mary, die aufgestanden war und ihren Morgenmantel überzog. »Am besten verschwinden Sie wieder im Bett, Mädel«, riet er. »Der Fußboden ist kalt.«
    »Ich komme mit.« Marys Worte wurden durch die Falten des Gewands gedämpft, doch als sie trotzig ihren Kopf durch den Ausschnitt streckte, wurde ihre Entschlossenheit deutlich.
    »Den Teufel werden Sie tun«, entgegnete Jamie. Er warf ihr einen wütenden Blick zu, und ich sah, daß sich frische blutige Kratzwunden über seine Wange zogen. Doch als er ihre zitternden Lippen sah, zügelte er seinen Zorn und redete beruhigend auf sie ein. »Tut mir leid, Mädel. Ich sorge dafür, daß Sie deshalb keine Schwierigkeiten bekommen. Ich schließe die Tür hinter uns wieder ab, und morgen früh können Sie allen erzählen, was passiert ist. Niemand wird Ihnen die Schuld daran geben.«
    Ohne seine Worte zu beachten, streifte Mary hastig ihre Hausschuhe über und rannte zur Tür.
    »Holla! Wohin wollen Sie?« Verblüfft setzte Jamie ihr nach, doch sie war vor ihm an der Tür. Gleich darauf stand sie draußen in der Halle und funkelte ihn an.
    »Ich komme mit!« erklärte sie wildentschlossen. »Wenn Sie mich nicht mitnehmen, laufe ich den Korridor hinunter und schreie, so laut ich kann!«
    Jamie starrte sie an. Seine Haare leuchteten kupfern im Kerzenschein, und das Blut stieg ihm in die Wangen. Offenbar war er hin und her gerissen zwischen der Notwendigkeit, sich

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