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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Sprache ohne Worte.
    Lebendig und eins. Wir sind eins, und solange wir lieben, rührt uns der Tod nicht an. »Im Grabe ruhst du ungestört, von keiner Leidenschaft betört.« Alex Randall lag kalt in seinem Bett und Mary Randall einsam in dem ihren. Aber wir waren hier, zusammen, und sonst zählte nichts.
    Er umspannte meine Hüften mit seinen großen, warmen Händen und zog mich an sich, und der Schauder, der mich überlief, erfaßte auch ihn, als wären wir ein Leib.
    Nachts erwachte ich in seinen Armen und merkte, daß er nicht schlief.
    »Schlaf wieder ein, mo duinne. « Er sprach sanft, leise und beruhigend, aber der Unterton entging mir nicht, und als ich nach seinem Gesicht tastete, spürte ich die Tränen auf seinen Wangen.

    »Was ist, Geliebter?« flüsterte ich. »Jamie, ich liebe dich.«
    »Das weiß ich«, erwiderte er ruhig. »Ich weiß es, meine Einzige. Wenn du schläfst, will ich dir sagen, wie sehr ich dich liebe. Denn wenn du wach bist, kann ich dir nicht mehr sagen als immer wieder dieselben armseligen Worte. Aber wenn du in meinen Armen ruhst, kann ich dir Dinge anvertrauen, die bei Tage dumm und verrückt klingen würden. Deine Träume wissen, daß sie wahr sind. Schlaf wieder ein, mo duinne.«
    Ich streifte mit den Lippen seinen Hals dort, wo unter der kleinen dreieckigen Narbe die Schlagader pulsierte. Dann bettete ich meinen Kopf auf seine Brust und gab meine Träume in seine Obhut.

46
    Timor mortis conturbat me
    Als wir der Armee der Hochländer auf ihrem Rückzug nach Norden folgten, stießen wir immer wieder auf Soldaten und ihre Spuren. Wir überholten kleinere Gruppen, die verbissen zu Fuß dahinstapften, den Kopf vor dem Regen gebeugt, den ihnen der Wind ins Gesicht peitschte. Andere lagerten in Gräben und unter Hecken, zu erschöpft, um weiterzuwandern. Kriegsgerät und Waffen säumten die Wege: hier lag ein umgestürzter Wagen, die Säcke aufgerissen, das Mehl in der Nässe verdorben; dort stand unter einem Baum eine kleinere Feldschlange, deren Doppellauf bedrohlich aus dem Schatten ragte.
    Das schlechte Wetter hemmte unser Fortkommen. Wir schrieben den 13. April. Auf Schritt und Tritt begleitete mich ein nagendes Gefühl der Beklemmung. Lord George und die Clanoberhäupter, der Prinz und seine wichtigsten Berater hatten sich nach Culloden House zurückgezogen. Zumindest hatte uns das ein Mann vom Clan der MacDonalds erzählt, dem wir unterwegs begegnet waren. Mehr wußte er nicht, und wir hielten ihn nicht auf, als er davonstolperte. Bereits vor einem Monat, als mich die Engländer gefangengenommen hatten, waren die Lebensmittelvorräte knapp gewesen, und seitdem hatte sich die Lage verschlimmert. Die Männer, die wir trafen, kamen nur noch langsam voran, viele konnten sich vor Hunger und Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten. Doch allesamt zogen sie auf Befehl ihres Prinzen trotzig nach Norden. Hin zu einem Ort, den die Schotten Drummossie-Moor nannten. Nach Culloden.
    Einmal wurde der Weg so schlecht, daß die erschöpften Pferde nicht mehr vorankamen. Es sah so aus, als würden wir sie um ein kleines Wäldchen und durch regennasse Heide führen müssen, bis der Pfad wieder passierbar wurde.

    »Du kommst schneller voran, wenn du den Wald durchquerst«, sagte Jamie und nahm mir die Zügel aus der Hand. Er wies auf das Kiefern- und Eichenwäldchen, von dessen Boden der süße, kühle Duft nasser Blätter aufstieg. »Geh dort entlang, Sassenach! Wir treffen dich auf der anderen Seite wieder.«
    Ich war zu müde, um zu widersprechen. Einen Fuß vor den anderen zu setzen, war Anstrengung genug, und auf dem weichen Waldboden würde es mir zweifellos leichter fallen als in der sumpfigen, trügerischen Heide.
    Im Wald war es still, weil das Heulen des Windes von den Baumwipfeln gedämpft wurde. Das bißchen Regen, das sie durchließen, tröpfelte sanft auf eine dicke Schicht ledriger Eichenblätter, die sogar noch raschelten, wenn sie naß waren.
    Vor einem großen, grauen Felsen, nur wenige Schritte vom Ende des Wäldchens entfernt, sah ich ihn liegen. Das blaßgrüne Moos auf dem Stein hatte die gleiche Farbe wie sein Tartan, und dessen Brauntöne verschmolzen mit den Blättern, die ihn zur Hälfte zugedeckt hatten. Er schien ein Teil des Waldes zu sein, und ich wäre über ihn gestolpert, hätte mich nicht ein leuchtendblauer Farbfleck gewarnt.
    Weich wie Samt bedeckte der seltsame Pilz die nackten bleichen Glieder. Er hatte sich über die Knochen und Muskeln des Toten

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