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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Verlust.
    »Aber...« Zum erstenmal, seit ich ihn kannte, fehlten Jonathan Randall die Worte.
    »Gut.« Es war beinahe ein Flüstern. Alex öffnete die Augen, atmete erleichtert auf und lächelte seinen Bruder an. »Wir haben nicht viel Zeit. Ich werde euch selbst trauen. Jetzt. Deshalb habe ich Mrs. Fräser gebeten, Ihren Gatten mitzubringen... sind Sie bereit, Trauzeuge zu sein, Sir?« Er sah Jamie an, der zur Salzsäule erstarrt war und endlich mechanisch nickte.
    Ich glaube nicht, daß ich je drei so tiefunglückliche Menschen gesehen habe.
    Alex war so schwach, daß ihm sein Bruder mit versteinerter Miene half, den hohen weißen Kragen seiner geistlichen Tracht umzubinden. Jonathan selbst sah nicht viel besser aus als sein Bruder. Die Krankheit hatte ihre Spuren in seinem Gesicht hinterlassen, er schien um Jahre gealtert, und seine Augen lagen tief in den Höhlen. Seine ausgemergelte Gestalt steckte wie immer in makellosen
Kleidern. Er erinnerte mich an eine grob gearbeitete Schneiderpuppe, deren Gesicht achtlos aus einem Holzklotz herausgeschnitzt war.
    Mary bot ein Bild des Jammers. Hilflos schluchzend saß sie auf dem Bett und verbarg das Gesicht in den Falten ihres Umhangs. So gut es ging, brachte ich ihre Kleider in Ordnung und kämmte ihr zerzaustes Haar, während sie Alex mit tränenverschleierten Augen anblickte.
    Alex stützte sich mit einer Hand auf die Kommode, griff in die Schublade und holte sein großes Book of Common Prayer hervor. Es war zu schwer, als daß er es hätte halten können. Er saß auf dem Bett und legte sich das offene Buch auf die Knie. Er schloß die Augen, atmete schwer, und ein Tropfen Schweiß fiel auf die Seiten der Liturgie.
    »Meine Lieben«, begann Alex. Ich hoffte für ihn ebenso wie für alle Beteiligten, daß er die kürzere Trauformel wählte.
    Mary hatte aufgehört zu weinen, aber ihre Nase leuchtete rot aus ihrem blassen Gesicht hervor, und auf ihrer Oberlippe zeigte sich eine Rotzspur. Als Jonathan das sah, holte er, ohne die Miene zu verziehen, ein Leinentaschentuch aus dem Ärmel und gab es ihr.
    »Ja, ich will«, sagte sie auf Alexanders Frage, als wäre ihr nun alles gleich.
    Jack Randall gab sein Eheversprechen mit fester Stimme, wirkte aber völlig unbeteiligt. Mit gemischten Gefühlen beobachtete ich diese Trauung von zwei Menschen, die einander überhaupt nicht wahrnahmen. Beide richteten ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Mann, der vor ihnen saß und in das aufgeschlagene Buch blickte.
    Der Bund war geschlossen. Glückwünsche für das Brautpaar schienen fehl am Platz, und so trat peinliches Schweigen ein. Jamie sah mich fragend an, und ich zuckte die Achseln. Ich war unmittelbar nach unserer Heirat ohnmächtig geworden, und Mary sah so aus, als wollte sie meinem Beispiel folgen.
    Nachdem er sein Ziel erreicht hatte, saß Alex regungslos da und lächelte matt. Sein Blick schweifte durch den Raum und verweilte nacheinander auf jedem von uns: Jonathan, Jamie, Mary und mir. Ich sah das Glänzen in den freundlichen braunen Augen, als sie den meinen begegneten. Die Kerze war beinahe herabgebrannt, aber der Docht flammte noch einmal auf, kraftvoll und hell.
    Zärtlich ruhte sein Blick auf Mary, dann schloß er die Augen, als
könnte er es nicht ertragen, sie anzusehen. Sein rasselnder Atem ging schwer, und die Farbe wich aus seinen Wangen. Die Kerze flackerte.
    Ohne die Augen zu öffnen, streckte er eine Hand aus. Jonathan ergriff sie und bettete ihn sanft auf die Kissen. Alexanders schmale Hände zuckten ruhelos.
    »Mary«, flüsterte er. Sie barg die nervösen Hände zwischen den ihren und drückte sie an ihre Brust.
    »Ich bin da, Alex. O Alex, ich bin da!« Sie beugte sich über ihn und flüsterte in sein Ohr, so daß Jonathan gezwungen war, einen Schritt zurückzutreten. Ausdruckslos starrte er auf das Bett.
    Die schweren Lider hoben sich noch einmal, aber diesmal nur halb. Er suchte ein Gesicht und fand es.
    »Johnny. So... gut zu mir. Immer, Johnny.«
    Mary beugte sich überAlex, so daß ihre herabfallenden Haare sein Gesicht verbargen. Jonathan Randall stand so reglos da wie ein Fels in einem Steinkreis und beobachtete seinen Bruder und seine Frau. Kein Laut war zu hören außer dem Knistern des Feuers und dem leisen Schluchzen Mary Randalls.
    Jamie berührte meine Schulter, und ich blickte zu ihm auf. Er nickte in Marys Richtung.
    »Bleib bei ihr«, sagte er ruhig. »Es wird nicht lange dauern, oder?«
    »Nein.«
    Er nickte. Dann überwand er sich und ging

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