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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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fortführen. Wenn sich mir jemand in den Weg stellt, verweise ich auf mein Recht, meine Männer selbst in die Schlacht zu führen. Nicht einmal der junge Simon kann mir das verwehren.«
    Er holte tief Luft. Seine gerunzelte Stirn verriet, daß er sich die Szene auf dem Schlachtfeld bildlich vorstellte.
    »Und dann führe ich sie fort, in Sicherheit. Das Feld ist groß, und
dort sind Soldaten genug. Niemand wird merken, daß wir nicht etwa eine neue Stellung bezogen haben. Ich werde sie bis zur Straße nach Lallybroch geleiten.«
    Er schwieg, als wäre sein Plan bis dahin gediehen und nicht weiter.
    »Und dann?« fragte ich. Die Worte waren mir entschlüpft, obwohl ich die Antwort nicht hören wollte.
    »Und dann kehre ich zurück nach Culloden«, sagte er mit einem tiefen Seufzer. Unsicher lächelte er mich an. »Ich habe keine Angst vor dem Tod, Sassenach.« Wehmütig verzog er den Mund. »Nun, zumindest keine große Angst. Aber einige Todesarten...« Obwohl ein Schauer durch seinen Körper fuhr, hörte er nicht auf zu lächeln.
    »Wahrscheinlich habe ich mir das Privileg verscherzt, durch einen Meister seines Fachs zu sterben. Andererseits könnten es sowohl Monsieur Forez als auch ich etwas... etwas peinlich finden, wenn mir jemand das Herz aus dem Leib schneidet, mit dem ich bei einem Glas Wein zusammengesessen habe.«
    Mit einem gequälten Aufschrei riß ich ihn in meine Arme und hielt ihn fest umschlungen.
    »Ist schon gut«, flüsterte er. »Ist schon gut, Sassenach. Eine Musketenkugel. Oder vielleicht die Klinge eines Schwertes. Und dann ist es rasch vorbei.«
    Ich wußte, das war gelogen; dazu hatte ich zu viele Gefallene gesehen. Jamie hatte einzig darin recht, daß es besser war, als auf den Henker zu warten. Die Angst, die mich seit unserem Aufbruch von Sandringhams Landsitz begleitet hatte, wallte in mir auf und schnürte mir die Luft ab. Mein eigener Herzschlag dröhnte mir in den Ohren.
    Doch plötzlich wich alle Angst von mir. Ich konnte ihn nicht verlassen, und ich würde ihn nicht verlassen.
    »Jamie«, sagte ich, den Kopf an seine Brust geschmiegt, »ich kehre mit dir zurück.«
    Er machte sich von mir los und funkelte mich wütend an.
    »Den Teufel wirst du!«
    »Doch!« Eine ungeheure Ruhe hatte mich erfaßt, nicht der geringste Zweifel plagte mich. »Ich nähe mir aus meinem Umhang einen Kilt. Es gibt so viele Jungen im Heer, daß ich leicht für einen durchgehen kann. Du meinst selbst, daß große Verwirrung herrschen wird. Und so wird es auch niemand bemerken.«

    »Nein, Claire«, sagte er. »Nein!« Er hatte das Kinn vorgeschoben und funkelte mich wütend an. Doch es lag auch Angst in seinem Blick.
    »Wenn du keine Angst hast, habe ich auch keine«, beharrte ich, wobei ich gleichfalls das Kinn vorreckte. »Du hast doch selbst gesagt, daß es... daß es schnell vorbei ist.« Trotz meiner Entschlossenheit begann meine Stimme zu zittern. »Jamie... ich möchte... ich kann... ich kann ohne dich nicht leben!«
    Er öffnete den Mund und schloß ihn wieder. Um Fassung ringend, schüttelte er den Kopf. Über die Bergkuppen senkte sich die Dämmerung, während die Wolken noch dunkelrot schimmerten. Endlich streckte er die Arme aus und zog mich an sich.
    »Glaubst du etwa, das wüßte ich nicht?« fragte er leise. »Was mir bevorsteht, ist der leichtere Teil. Denn wenn du das gleiche für mich fühlst wie ich für dich - dann verlange ich von dir, daß du dir das Herz aus dem Leibe reißt und ohne es weiterlebst.« Er strich mir über den Kopf.
    »Aber du mußt gehen, mo duinne . Meine tapfere Löwin. Du mußt.«
    »Warum?« Ich fuhr zurück und blickte ihn fragend an. »Als du mir beim Prozeß in Cranesmuir zur Flucht verholfen hast, hast du gesagt, du wärst notfalls auch mit mir auf den Scheiterhaufen gegangen.«
    Er nahm meine Hand und blickte mich eindringlich an.
    »Aye, das wäre ich«, erwiderte er. »Aber ich trug auch nicht dein Kind unterm Herzen.«
    Ich zitterte. Der Wind hatte mich ausgekühlt, redete ich mir ein, und es war nur die Kälte, die mir den Atem raubte.
    »Das kann man noch nicht sagen«, entgegnete ich nach einer Pause. »Dazu ist es noch viel zu früh.«
    Er schnaubte, und in seinen Augen zeigte sich ein amüsiertes Funkeln.
    »Ich bin auf dem Land großgeworden, Sassenach. Seit ich zum erstenmal bei dir gelegen habe, hat sich deine Blutung kein einziges Mal verspätet. Aber seit der letzten sind jetzt sechsundvierzig Tage vergangen.«
    »Du Hund!« rief ich wütend. »Du

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