Die Geliehene Zeit
ich von einer seltsamen Erregung ergriffen, einem plötzlichen Gefühl der Verbundenheit, und mir wurde bewußt, daß ich diesen Namen teilte und in die Familie seiner Träger aufgenommen worden war.
Die Arianna war ein Dreimaster von ungefähr achtzehn Metern Länge mit mächtigem Bug. An der dem Hafen zugewandten Seite befanden sich zwei Geschütze. An Deck schwärmten Männer herum, vermutlich hatte jeder seine Aufgabe, aber von mir aus wirkte das Ganze eher wie ein Ameisenhaufen unter Beschuß.
Obwohl alle Segel aufgetucht und festgezurrt waren, änderte das Schiff mit Einsetzen der Flut seine Lage, so daß das Bugspriet in unsere Richtung wies. Den Bug schmückte eine grimmig blickende Galionsfigur, die mit ihrem entblößten Busen und den salzverkrusteten Locken den Anschein erweckte, als fände sie keinen sonderlich großen Gefallen an der See.
»Ist sie nicht eine entzückende kleine Schönheit?« erkundigte sich Jared und begleitete seine Worte mit einer ausladenden Handbewegung. Gewiß war das auf das Schiff und nicht auf die Galionsfigur gemünzt.
»Sehr hübsch«, stimmte Jamie höflich zu. Ich sah, wie er ängstlich zur Wasserlinie blickte, wo sich die kleinen dunkelgrauen Wellen am Schiffsrumpf brachen. Gewiß hoffte er, nicht an Bord gehen zu müssen. So tapfer Jamie als Krieger war, so hervorragend, wagemutig und kühn im Kampf, sosehr war er auch Landratte.
Er gehörte zweifellos nicht zu den hartgesottenen Seefahrern unter den Schotten, die vor Tarwathie auf Walfang gingen oder die Welt bereisten, um zu Reichtum zu gelangen. Er neigte zu heftiger Seekrankheit, die ihm auf unserer Fahrt über den Kanal im Dezember fast das Leben gekostet hätte, zumal er zu jener Zeit durch die erlittene Folter und Einkerkerung geschwächt gewesen war. Auch wenn sich die gestrige Sauftour mit Jared damit nicht vergleichen ließ, so hatte sie ihn gewiß nicht seetüchtiger werden lassen.
Die dunklen Erinnerungen standen ihm ins Gesicht geschrieben, als er den Ausführungen seines Cousins über die Vorzüge der Arianna lauschte. Ich rückte nahe genug an ihn heran, um ihm etwas zuflüstern zu können.
»Aber doch nicht, wenn es ruhig liegt, oder?«
»Ich weiß es nicht, Sassenach«, antwortete er und blickte mit einer Mischung aus Abscheu und Resignation auf das Schiff. »Aber
wir werden es wohl gleich herausfinden.« Jared befand sich bereits auf der Gangway und begrüßte den Kapitän lautstark. »Wenn ich grün werde, kannst du dann so tun, als würdest du in Ohnmacht fallen oder etwas Ähnliches? Es macht einen schlechten Eindruck, wenn ich Jared auf die Schuhe kotze.«
Beruhigend tätschelte ich seinen Arm. »Mach dir keine Sorgen. Ich vertraue dir.«
»Es liegt nicht an mir «, meinte er mit einem letzten langen Blick auf das feste Land. »Es liegt an meinem Magen.«
Das Schiff blieb jedoch angenehm ruhig, und Jamie und sein Magen bewältigten die Herausforderung wacker - möglicherweise trug der Weinbrand dazu bei, den der Kapitän uns zu Ehren einschenkte.
»Ein guter Tropfen«, lobte Jamie, während er sich das Glas unter die Nase hielt und den aromatischen Duft mit geschlossenen Augen einsog. »Portugal, nicht wahr?«
Jared lachte erfreut und versetzte dem Kapitän einen Rippenstoß.
»Sehen Sie, Portis? Ich habe Ihnen doch gesagt, daß er einen untrüglichen Gaumen besitzt! Er hat ihn nur einmal zuvor gekostet.«
Ich nagte an der Innenseite meiner Wange und mied Jamies Blick. Der Kapitän, eine kräftige, ungepflegte Kreatur, wirkte gelangweilt, verzog jedoch höflich das Gesicht und entblößte dabei drei Goldzähne. Ein Mann, der seine Schätze gern bei sich trug.
»He«, stieß er hervor, »das ist wohl der Kerl, der dafür sorgen soll, daß der Kahn nicht untergeht?«
Diese Bemerkung brachte Jared in Verlegenheit, und unter seiner gegerbten Haut machte sich eine leichte Röte breit. Fasziniert bemerkte ich, daß eines seiner Ohren für einen Ring durchstochen war, und ich fragte mich, wie die Vergangenheit ausgesehen haben mochte, die ihn zu seinem gegenwärtigen Erfolg geführt hatte.
»Aye«, entgegnete er und ließ zum ersten Mal einen Anflug eines schottischen Akzents hören. »Man wird sehen. Aber ich denke...« Er sah durch das Bullauge auf das, was sich am Kai abspielte, und dann auf das Glas des Kapitäns, der den Inhalt in drei Schlucken hinunterstürzte, während wir anderen lediglich daran nippten. »Portis, überlassen Sie mir für einen Augenblick Ihre Kammer? Ich würde
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