Die Geliehene Zeit
bittet.«
Der Gedanke, für die Pariser Gesellschaft Abendeinladungen auszurichten, jagte mir in der Tat ein wenig Angst ein. Fragend blickte Jamie mich an. Ich schluckte schwer, nickte aber lächelnd. Es war kein schlechtes Angebot. Wenn er sich zutraute, das Importgeschäft
zu übernehmen, konnte ich wohl zumindest Essen bestellen und dabei mein Französisch aufpolieren.
»Kein Problem«, murmelte ich. Aber Jared hatte ohnehin mit meiner Zustimmung gerechnet, denn er fuhr bereits mit seinen Ausführungen fort, den Blick unverwandt auf Jamie gerichtet.
»Und da fiel mir ein, daß du vielleicht eine Unterkunft benötigst - zum Wohl der anderen Geschäfte, deretwegen du nach Paris gekommen bist.«
Als Jamie unverbindlich lächelte, lachte Jared kurz auf und griff nach seinem Glas. Um den Gaumen zwischen zwei Schlucken zu neutralisieren, hatte man jedem von uns ein Glas Wasser hingestellt, von denen Jared nun eines zu sich heranzog.
»Zeit für einen Trinkspruch!« rief er aus. »Auf unsere Verbindung, Cousin! Und auf Seine Majestät.« Er hob das Glas mit Weinbrand und führte es ostentativ über das Glas Wasser, bevor er es an die Lippen setzte.
Überrascht beobachtete ich diese seltsame Geste. Jamie hingegen war sie offensichtlich vertraut, denn er lächelte Jared zu, nahm sein eigenes Glas und tat es ihm nach.
»Auf Seine Majestät!« wiederholte er. Als er meinen verwirrten Blick sah, lächelte er und fügte erklärend hinzu: »Auf seine Majestät - über dem Wasser, Sassenach.«
»Wie?« fragte ich, doch im selben Augenblick fiel der Groschen. »Ach so.« Der König auf der anderen Seite des Wassers - König James. Deswegen drängte man uns also von allen Seiten, uns möglichst rasch in Paris einzurichten.
Sollte auch Jared zu den Jakobiten zählen, war der Briefwechsel zwischen ihm und Abt Alexander gewiß nicht zufällig. Möglicherweise war Jamies Brief, in welchem er unsere Ankunft ankündigte, gleichzeitig mit einem von Alexander eingetroffen, in dem er von König James’ Auftrag berichtete. Und wenn sich unsere Anwesenheit in Paris mit Jareds Plänen vereinbaren ließ - um so besser. Mit einem Schlag offenbarte sich mir das verflochtene Netzwerk der Jakobiten. Ich erhob mein Glas und trank auf Seine Majestät über dem Wasser - und auf unsere Partnerschaft mit Jared.
Jared und Jamie begannen ein Gespräch über das Geschäft und waren wenig später in tintenbeschriebene Papiere, Manifeste und Seefrachtbriefe vertieft. Die winzige Kammer roch nach Tabak, Weinbrand und ungewaschenen Seeleuten, und mir wurde wieder
schlecht. Da ich im Augenblick offensichtlich überflüssig war, erhob ich mich leise und begab mich an Deck.
Um nicht in die Auseinandersetzung an der hinteren Ladeluke verwickelt zu werden, stieg ich über aufgerollte Taue, Dinge, die nach Belegklampen aussahen, und unordentliche Berge von Segeltuch, bis ich am Bug ein stilles Plätzchen fand. Von dort konnte ich ungehindert den Hafen über blicken.
Ich ließ mich auf einer Kiste am Schanzkleid nieder und genoß die Brise, die nach Salz und Teer, Fisch und Hafen roch. Es war immer noch kalt, aber nachdem ich den Umhang enger um mich gezogen hatte, war mir warm genug. Das Schiff schwankte ein wenig. An den Dalben tanzten Algenbüschel auf und nieder und verdeckten die daran klebenden schwarzschimmernden Muscheln.
Ihr Anblick erinnerte mich an die gedämpften Muscheln vom Vorabend, und plötzlich kam ich um vor Hunger. Während der Schwangerschaft fiel ich von einem Extrem ins andere - wenn ich nicht gerade erbrach, war ich hungrig wie ein Wolf. Der Gedanke an Essen brachte mich auf Menüs, und das rief mir Jareds Abendeinladungen ins Gedächtnis. Abendeinladungen also! Eine seltsame Art, mit der Rettung Schottlands zu beginnen - andererseits fiel mir wirklich nichts Besseres ein.
Zumindest könnte ich ein Auge auf Charles Stuart haben, wenn er mir am Tisch gegenübersaß, dachte ich und lächelte über diesen Scherz. Sollte er den Anschein erwecken, demnächst ein Schiff nach Schottland besteigen zu wollen, konnte ich ihm vielleicht unauffällig etwas in die Suppe mischen.
Aber eigentlich war das gar nicht so lustig. Ich erinnerte mich an Geillis Duncan, und mein Lächeln erstarb. Sie hatte ihrem Mann, dem Prokurator von Cranesmuir, Zyankali unter das Essen gemengt. Bald darauf wurde sie der Hexerei angeklagt und ins Diebesloch geworfen. Da ich gerade bei ihr war, verhaftete man mich ebenfalls. Doch Jamie hatte mich gerettet. Die
Weitere Kostenlose Bücher