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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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plauderte mit den vorbeigehenden Gästen.
    »Wie hübsch Sie heute abend aussehen, ma chère!« Es war Madame de Ramage, eine ältere, würdevolle Frau, die zu den Hofdamen der Königin zählte. Sie war ein- oder zweimal zu unseren Tafelgesellschaften in die Rue Tremoulins gekommen. Nachdem sie mich herzlich umarmt hatte, blickte sie sich um, ob uns auch niemand beobachtete.
    »Ich hatte gehofft, Sie hier zu treffen, meine Liebe«, sagte sie, dann beugte sie sich vor und flüsterte: »Ich möchte Ihnen raten, sich vor dem Comte de St. Germain in acht zu nehmen.«
    Als ich unauffällig ihrem Blick folgte, entdeckte ich den Mann mit dem hageren Gesicht, dem ich am Hafen von Le Havre begegnet war. Er betrat gerade das Musikzimmer in Begleitung einer jüngeren, elegant gekleideten Dame. Anscheinend hatte er mich noch nicht bemerkt, und hastig drehte ich mich zu Madame de Ramage um.
    »Was... will er... warum...« Ich spürte, wie ich, beunruhigt über das Auftauchen dieses finsteren Comte, noch mehr errötete.
    »Nun ja, man hat ihn über Sie reden hören«, erklärte Madame de Ramage und half mir freundlicherweise aus meiner Verlegenheit. »Ich habe dem entnommen, daß es in Le Havre einen kleinen Zwischenfall gegeben hat.«
    »Sozusagen«, erwiderte ich. »Ich habe nur festgestellt, daß jemand an Pocken erkrankt war, aber das hatte zur Folge, daß sein Schiff vernichtet wurde... und darüber war der Comte gar nicht erfreut«, schloß ich mit matter Stimme.

    »Aha, das ist es also.« Madame de Ramage sah zufrieden aus. Mit dieser Information aus erster Hand würde sie wohl einen beträchtlichen Vorteil auf dem Klatsch- und Gerüchtemarkt des Pariser Gesellschaftslebens haben.
    »Er hat verbreitet, daß er Sie für eine Hexe hält«, sagte sie, während sie einer Freundin von Ferne zulächelte und winkte. »Eine nette Geschichte! Oh, aber das glaubt keiner«, versicherte sie mir. »Wenn jemand mit so etwas zu tun hat, dann ist es Monsieur le Comte selbst. Das weiß jeder.«
    »Tatsächlich?« Ich hätte gerne gewußt, was sie damit meinte, aber in diesem Augenblick erschien Herr Gerstmann und trieb uns wie ein Schar Hühner zusammen.
    »Kommen Sie, kommen Sie, Mesdames!« sagte er. »Wir sind komplett, das Singen kann beginnen!«
    Während sich der Chor eilig neben dem Cembalo versammelte, warf ich einen Blick zu dem Alkoven, wo ich Mary Hawkins zurückgelassen hatte. Ich dachte, ich hätte gesehen, wie sich der Vorhang bewegte, war mir aber nicht sicher. Und als die Musik einsetzte und sich die Stimmen erhoben, glaubte ich, vom Alkoven her einen klaren, hellen Sopran zu hören.
     
    »Sehr hübsch, Sassenach«, meinte Jamie, als ich mich nach dem Singen atemlos und mit rotem Kopf wieder zu ihm gesellte. Er grinste mich an und klopfte mir auf die Schulter.
    »Woher willst du das wissen?« fragte ich und ließ mir von einem vorbeikommenden Diener ein Glas Weinpunsch geben. »Du kannst doch ein Lied nicht vom anderen unterscheiden.«
    »Na ja, jedenfalls wart ihr laut«, antwortete er gelassen. »Ich habe jedes Wort gehört.« Da spürte ich, wie sich seine Schultern ein wenig strafften, und folgte der Richtung seines Blicks.
    Die Frau, die soeben hereinkam, war winzig, sie ging Jamie kaum bis zur untersten Rippe. Ihre Hände und Füße sahen aus wie die einer Puppe, und über ihren dunklen Augen wölbten sich ausgesprochen feine Brauen. Ihr leichtfüßiger Gang schien der Schwerkraft zu spotten; sie schien beinahe zu schweben.
    »Ach, da ist ja Annalise de Marillac«, sagte ich bewundernd. »Eine wahre Augenweide, nicht wahr?«
    »Äh, aye.« Der Unterton in seiner Stimme ließ mich aufblicken. Er hatte etwas gerötete Ohrläppchen.

    »Und ich habe gedacht, du hättest deine Jahre in Frankreich mit Kämpfen zugebracht, nicht mit Romanzen«, meinte ich säuerlich.
    Zu meiner Überraschung lachte er. Da drehte sich die Frau nach uns um, und als sie Jamies hochaufragende Gestalt erblickte, zeichnete sich auf ihrem Gesicht ein strahlendes Lächeln ab. Gerade als sie in unsere Richtung gehen wollte, wurde sie von einem Herrn abgelenkt, der eine Perücke und einen prachtvollen lavendelblauen Rock trug und ihr zudringlich die Hand auf den Arm legte. Bedauernd und gleichzeitig kokett schnippte sie mit dem Fächer in Jamies Richtung, ehe sie sich ihrem neuen Gegenüber widmete.
    »Was gibt es da zu lachen?« fragte ich, als er dem leicht schillernden Spitzenrock der Dame hinterhergrinste.
    Jäh schien er sich meiner Gegenwart

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