Die Geliehene Zeit
bewußt zu werden und lächelte zu mir herab.
»Ach nichts, Sassenach. Nur deine Bemerkung über das Kämpfen. Ich habe mein erstes Duell - und übrigens auch mein einziges - wegen Annalise de Marillac gefochten. Da war ich achtzehn.«
Er sprach mit leicht verträumtem Ton, während sein Blick der in der Menge verschwindenden Frau folgte. Ihr schmaler, dunkler Kopf war stets umgeben von weißen Perücken und gepudertem Haar und gelegentlich auch von einer modisch rosagetönten Perücke.
»Ein Duell? Mit wem?« fragte ich und sah mich argwöhnisch nach irgendwelchen männlichen Anhängseln des Porzellanpüppchens um, die womöglich eine alte Rechnung begleichen wollten.
»Ach, der ist nicht hier.« Jamie wußte meinen Blick richtig zu deuten. »Der ist tot.«
»Du hast ihn umgebracht?« In meiner Erregung sprach ich lauter als beabsichtigt. Als einige Umstehende neugierig die Köpfe nach uns umdrehten, nahm Jamie mich am Ellbogen und lenkte mich hastig auf den nächsten Ausgang zu.
»Paß auf, was du sagst, Sassenach«, rügte er mich milde. »Nein, ich hab’ ihn nicht umgebracht. Ich wollte es zwar«, fügte er reumütig hinzu, »habe es aber nicht getan. Er starb zwei Jahre später an einer Halsentzündung. Das hat mir Jared erzählt.«
Er führte mich einen der Gartenwege entlang, die von laternentragenden Dienern beleuchtet wurden; sie standen im Abstand von jeweils fünf Metern zwischen der Terrasse und einem Springbrunnen am Ende des Pfades. In der Mitte des großen Beckens spuckten
vier Delphine Wasserfontänen über einen ärgerlich dreinblickenden Meeresgott, der in einer leeren Drohgebärde einen Dreizack schwang.
»Spann mich nicht länger auf die Folter«, drängte ich, als die Gäste auf der Terrasse außer Hörweite waren. »Was ist geschehen?«
»Na schön«, gab er nach. »Du hast ja sicherlich bemerkt, daß Annalise recht hübsch ist.«
»Ach, findest du? Na ja, vielleicht. Jetzt, wo du es sagst, fällt mir auch auf, daß sie nicht gerade häßlich ist«, erwiderte ich mit honigsüßer Stimme, wofür ich einen bösen Blick, dann ein schiefes Lächeln erntete.
»Aye. Nun, ich war nicht der einzige in Paris, der dieser Meinung war, und auch nicht der einzige, der Hals über Kopf in sie verliebt war. Ich lief herum wie betäubt und stolperte über meine eigenen Füße. Wartete auf der Straße in der Hoffnung, einen Blick auf sie zu erhaschen, wenn sie von ihrem Haus zur Kutsche ging. Ich vergaß sogar zu essen. Jared sagte, mein Rock sei an mir heruntergehangen wie an einer Vogelscheuche, und meine Haare machten auch keinen besseren Eindruck.« Geistesabwesend fuhr er sich über den Kopf und strich über seinen tadellosen, mit einem blauen Band umwikkelten Zopf.
»Vergessen zu essen? Dann muß es dich wirklich schlimm erwischt haben«, bemerkte ich.
Er gluckste. »Allerdings. Und schlimmer wurde es noch, als sie mit Charles Gauloise herumtändelte. Weißt du, sie hat mit jedem getändelt«, fügte er der Gerechtigkeit halber hinzu, »das war in Ordnung - aber für meinen Geschmack hat sie ihn ein bißchen zu sehr bevorzugt... na ja, Sassenach, um es kurz zu machen: Ich habe ihn erwischt, wie er sie im Mondschein auf der Terrasse ihres Vaters geküßt hat, und da habe ich ihn gefordert.«
Mittlerweile waren wir an dem Brunnen angelangt. Jamie blieb stehen, und wir setzten uns an den Beckenrand.
»Duelle waren damals in Paris verboten - wie auch heute. Aber es gab gewisse Plätze; die gibt es immer. Charles hatte die Wahl und entschied sich für eine Stelle im Bois de Boulogne, in der Nähe der Straße der Sieben Heiligen, aber versteckt in einem Eichenwäldchen. Ihm stand auch die Wahl der Waffen zu. Ich hatte mit Pistolen gerechnet, doch er entschloß sich für das Florett.«
»Warum tat er das? Du hattest doch bestimmt fünfzehn oder zwanzig Zentimeter mehr Reichweite als er.« Ich war keine Expertin, hatte aber notgedrungen einiges über Strategie und Taktik des Fechtens gelernt. Denn Jamie und Murtagh lieferten sich alle zwei bis drei Tage ein Übungsgefecht, um in Form zu bleiben. Da gab es klirrende Paraden und Ausfälle im Garten - sehr zur Freude der Dienstboten, die alle auf die Balkone strömten und zuschauten.
»Warum er das Florett gewählt hat? Weil er verdammt gut damit umgehen konnte. Vielleicht hat er sich auch gedacht, daß ich ihn mit der Pistole unabsichtlich töten könnte, während er meinte, ich wäre zufrieden, wenn ich ihn mit der Klinge nur verletzen würde. Ich
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