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Die Geliehene Zeit

Titel: Die Geliehene Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Gesellschaft.
    »Ja«, versicherte ich dem Mann. »Er hat eben kein musikalisches Gehör.«
    »Das habe ich gemerkt«, erwiderte er niedergeschlagen, doch dann fiel sein Blick auf mich.
    »Nein, ich nicht!« rief ich lachend.
    »Ihr musikalisches Gehör ist doch gewiß besser, Madame.« Seine Augen glitzerten wie die einer Schlange, die ihr schreckensstarres Opfer fixiert, während die Stimmgabel natterngleich zu züngeln schien.
    »Augenblick«, sagte ich abwehrend. »Wer sind Sie eigentlich?«
    »Das ist Herr Johannes Gerstmann, Sassenach.« Belustigt verbeugte sich Jamie vor dem Mann. »Der königliche Kantor. Herr Gerstmann, darf ich Ihnen meine Frau, Herrin von Broch Tuarach, vorstellen?« Bei Jamie konnte man sich darauf verlassen, daß er wirklich jeden am Hof kannte.
    Johannes Gerstmann. Nun, das erklärte auch den leichten Akzent, der mir in seinem förmlichen Französisch aufgefallen war. Ein Deutscher, fragte ich mich, oder ein Österreicher?

    »Ich bin gerade dabei, aus dem Stegreif einen kleinen Chor zusammenzustellen«, erklärte der Kantor. »Es müssen keine ausgebildeten Stimmen sein, aber sie sollten kräftig und natürlich klingen.« Er bedachte Jamie mit einem enttäuschten Blick, woraufhin dieser lediglich grinste. Dann nahm er Herrn Gerstmann die Stimmgabel aus der Hand und hielt sie fragend in meine Richtung.
    »Hm, na gut«, meinte ich und sang.
    Was Herr Gerstmann auch gehört haben mochte, er fand es anscheinend hoffnungsvoll, denn er beäugte mich interessiert, während er seine Stimmgabel einsteckte. Seine Perücke war eine Spur zu groß; sie rutschte etwas nach vorne, als er nickte. Nachlässig rückte er sie zurecht und sagte: »Eine außerordentliche Stimme, Madame! Sehr schön, in der Tat. Kennen Sie zufällig Le Papillon?« Er summte ein paar Takte.
    »Nun, ich habe es schon einmal gehört«, antwortete ich vorsichtig. »Die Melodie meine ich; den Text kenne ich nicht.«
    »Ah, das ist kein Problem, Madame. Der Refrain ist ganz einfach; er geht so...«
    Ehe ich wußte, wie mir geschah, hatte der Kantor meinen Arm fest im Griff und zog mich mit sich fort. Dabei summte er mir ins Ohr wie eine verrücktgewordene Hummel.
    Ich warf Jamie einen hilflosen Blick zu, doch er hob nur grinsend seinen Eisbecher zum Abschiedsgruß, ehe er eine Unterhaltung mit Monsieur Duverney dem Jüngeren begann, dem Sohn des königlichen Finanzministers.
    Das Haus der de Rohans - wobei die Bezeichnung »Haus« eine krasse Untertreibung ist - erstrahlte im Licht der Laternen, die im Garten aufgehängt waren und die Terrasse säumten. Als Herr Gerstmann mich durch die Flure zerrte, sah ich Diener, die zwischen den Eßzimmern hin und her eilten und die Tische für das nachfolgende Diner deckten. Die meisten »Salons« waren kleine, private Zusammenkünfte, doch die Princesse Louise de la Tour de Rohan zog die Sache lieber im großen Stil auf.
    Ich hatte die Prinzessin eine Woche zuvor bei einer anderen Abendgesellschaft kennengelernt und war von ihr ziemlich überrascht gewesen. Sie war mollig und sah recht gewöhnlich aus: ein rundliches Gesicht mit einem ebenso rundlichen, kleinen Kinn, blaßblauen, wimpernlosen Augen und einem künstlichen, sternförmigen Schönheitsfleck, der sie auch nicht schöner machte. Das
sollte die Dame sein, deretwegen Prinz Charles gegen den guten Ton verstieß? dachte ich, als ich einen Begrüßungsknicks machte.
    Doch sie hatte ein lebhaftes, munteres Wesen, das sehr anziehend wirkte, und einen hübschen rosigen Mund. Dieser schien überhaupt das Lebhafteste an ihr zu sein.
    »Ach, wie reizend!« hatte sie ausgerufen und meine Hand ergriffen, als ich ihr vorgestellt wurde. »Wie schön, Sie endlich kennenzulernen! Mein Mann wie auch mein Vater haben endlose Lobeshymnen auf den Herrn von Broch Tuarach gesungen, aber seine bezaubernde Frau haben sie mit keinem Wort erwähnt. Ich bin außerordentlich entzückt über Ihre Anwesenheit, meine Liebe - muß ich Sie wirklich mit Broch Tuarach anreden, oder genügt es vielleicht auch, wenn ich Madame Tuarach sage? Ich weiß nicht, ob ich mir alles merken kann, aber ein Wort gewiß, auch wenn es so merkwürdig klingt... es ist schottisch, nicht wahr? Wie reizend!«
    Eigentlich bedeutete Broch Tuarach »Der nach Norden schauende Turm«, doch wenn sie mich »Madame Nach-Norden-Schauend« nennen wollte, sollte mir das auch recht sein. Schließlich versuchte sie nicht einmal mehr, sich an »Tuarach« zu erinnern, sondern sprach mich bald nur

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