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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Geschmack ein. Daniel Prang (vertraut mir Royce Allen an) begann als hervorragender Schuster; wäre er bei Herrenschuhen und Stiefeln geblieben, alles wäre in Ordnung gewesen. Der ursprüngliche Prang-Schuh sei ein ausgezeichnetes Produkt gewesen mit seinen feinen, schlanken Linien, den Schnallen aus Stahl und Silber quer über die Hacke, versehen mit einem einzigartigen Wappen für jeden Kunden, damit die Fußabdrücke jedes Herrn für seine Freunde sofort erkennbar seien. Leider hätten sich nach wenigen Monaten schon die Schuhnägel gelöst, und man habe immer wieder innehalten und die Sohlen überprüfen müssen.
    In dieser guten, alten Zeit habe Royce Allen selbst noch Schuhe bei Prang gekauft. Sein Abzeichen sei ein Kamel gewesen, das durch ein Nadelöhr ging. Wirklich sehr skurril. Leider habe aber Mr Prang das natürliche Gleichgewicht gestört, als er nicht bei seinem Leisten blieb, sondern begann, Herrenkleidung herzustellen, obwohl ihn die Natur nicht mit den hierzu erforderlichen Fähigkeiten ausgestattet habe. Royce Allen zeigt sich entzückt, dass ich den Scharfsinn und die Vernunft besessen hätte, auf Prangs Anzüge mit ihren modernen Linien zu verzichten, und beschließt, ich solle nur seine besten Stücke bekommen. So verwirft er all die mittelmäßigen (sprich: billigen) Stoffe und bugsiert mich geradewegs zum letzten Tisch seines Ladens, wo er jene Kunden bedient, die die Banken leeren und den Reichtum von Nationen konsumieren. Ich überlege, während er misst. Zwischen Alpaka, Kaschmir und Mylar/Seide (besonders angenehm im Sommer) kann ich mich nicht entscheiden und bestelle – da ich sie sowieso nie tragen werde – jeweils einen Anzug. Royce Allen leckt sich die Lippen und beglückwünscht mich zu meinem kühnen Entschluss. Die erste Anprobe soll in drei Wochen stattfinden. Royce Allens Assistent bringt mir ein weiteres Glas Wein, damit mir meine Kehle nach dieser Anstrengung nicht noch einmal Schwierigkeiten bereitet, und wartet mit der Flasche in der Nähe, falls ich hinsichtlich der Hemden noch einige schwierige Entscheidungen zu treffen habe. Da wir schon einmal dabei sind, werfe ich noch zwei hervorragende Jacken von der Stange auf den Haufen (für ungezwungene Anlässe, Mr Allen), dazu einige At-Work-By-Allen-Jeans, mehrere Stoffhosen und ein Paar Foot-By-Allen-Schuhe. Royce Allen ist so entzückt, dass er mir noch ein Paar Socken drauflegt. Ich nenne ihm eine frei erfundene Adresse im besseren Viertel der Stadt und frage, ob ich später noch einmal hereinschauen und die Sachen abholen kann. In einer Stunde spiele ich Squash im Club (ich weiß noch nicht einmal, welcher Club es sein soll, aber offenbar tut das hier jeder, und so nicken sie nur andächtig). Selbstverständlich, sagt Royce Allen. Wir schütteln uns die Hände, wobei ich das Glas auf die Verkaufstheke stelle. Sofort kommt der Assistent, um es sich zu schnappen, ehe etwas Gefährliches passieren kann. Aber leider, leider – wie kann so etwas nur geschehen? Ich bin einen Schritt zurückgewichen und stoße mit ihm zusammen, als er gerade vortreten will. So etwas Dummes aber auch. Vielleicht bin ich ungeschickt oder unaufmerksam, vielleicht auch betrunken. Gewiss hätte ich mir ein besseres Ende für den Inhalt der Flasche vorstellen können (ich werde tausend Jahre in der Hölle der umgeschlagenen Jahrgangsweine schmoren), der sich kräftig gluckernd über mein Hemd ergießt und an meinem Rücken hinunterläuft.
    Jetzt herrscht Totenstille. Ich fürchte schon, der Assistent sei tatsächlich verstorben oder habe den Verstand verloren. Er steht stocksteif vor mir. Dann besinnt er sich und murmelt: »Das tut mir schrecklich leid.« Er wartet nicht einmal, um zu hören, dass er gefeuert ist, sondern geht sofort ins Hinterzimmer, um seine Sachen zu holen. Ich hoffe, dies ist ein abgesprochenes Manöver. Hoffentlich setzt er sich in eine Bar und wartet, bis Royce Allen ihn zurückruft, nachdem der Kunde gegangen ist. Ich bezweifle es.
    Royce Allen seufzt.
    »Was für ein Missgeschick«, klagt er. »Sagten Sie nicht, Sie wollten zum Brandon Club?«
    »Ja«, erwidere ich traurig. »Das wollte ich.«
    »Nun ja, so können Sie aber dort nicht hin«, sagt Royce Allen. Er zuckt mit den Achseln. »Ziehen Sie doch jetzt den legeren Anzug an«, fährt er fort. »Sie können ja bezahlen, wenn Sie zur ersten Anprobe kommen. Falls er Ihnen nicht gefällt, ziehen wir ihn der Schaufensterpuppe an, und Sie betrachten ihn als Leihgabe.

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