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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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Einverstanden?«
    Aber das kann ich doch nicht annehmen, aber Sie müssen, aber nein, Mr Allen, aber Sir, ich bestehe darauf, blabla. Wir überbieten einander mit Höflichkeiten, bis er sich schließlich durchsetzt und ich sein Geschäft mit Wechselkleidung im Wert eines kleinen Vermögens und zwei Gläsern Wein im Bauch verlasse. Ich habe Schuldgefühle, aber das wird ihn nicht ruinieren, und er wird dieses Jahr sogar fünf Prozent mehr verdienen, weil er den Herren im Anproberaum eine interessante Geschichte erzählen kann. Wie mich ein Gauner hereinlegte – von Royce Allen. Und ich würde es wieder tun, Sir, denn so sind wir in diesem Geschäft. O nein, Sir, um ehrlich zu sein, ich glaube, wir müssen noch eine Kategorie höher greifen, denn dieser Stoff wird Ihnen nicht gerecht.
    Ich steige in ein Taxi und lasse mich zum Brandon Club fahren.
     
    Buddy Keene leiht mir einen Schläger. Er hat fünf in einem dicken Sack, die er abwechselnd benutzt, je nach Laune. Sein Name (Bartholomew Keene) ist in goldenen Lettern auf den Beutel genäht. Tom Link und Roy Massaman machen mich am Wasserspender auf ihn aufmerksam: Mann, Buddy hat sowieso zu viele Schläger, er kann Ihnen doch einen leihen. Das tut er natürlich auch, weil Royce Allens Kunst mich kleidet, und das ist ebenso ein Ausweis wie Libby Lloyds Sportsachen. Als ich die Gestreiften herausziehe, gibt es ein kleines Gemurmel.
    Ich stehe auf der Galerie, beobachte die anderen Spieler und plaudere. Die Galerie des Brandon Club, von der aus man die Plätze überblicken kann, ist in ungemütlichen Abständen mit Farnen und Feigenbäumchen in Töpfen geschmückt und mit außerordentlich unbequemen Bambusstühlen ausgestattet worden. Wer sich längere Zeit hier aufhält, bekommt heftige Rückenschmerzen. Glücklicherweise verfügt der Club auch über einen Wellnessbereich, der auf die Leiden spezialisiert ist, die man sich zuzieht, wenn man den ganzen Tag hier herumhängt. Die Wände sind grauweiß gestrichen, weil reines Weiß die Gäste kränklich aussehen lässt, und von großen Glasflächen unterbrochen. Es kommt hier wohl eher auf den Beweis an, dass man reich genug ist, um die Mitgliedsgebühren bezahlen zu können. Denn jeder, der weniger Geld hat, würde für diesen Preis einen besseren Service erwarten.
    Von Buddy und seinen Freunden – die abwechselnd spielen und Pause machen, sodass einer von ihnen immer leise keuchend mit mir reden kann, während er sich die Unterarme abtupft – erfahre ich, dass es in Haviland City zahlreiche ausgezeichnete Bars gibt. Die Stadt sei wie das alte Rom auf einer Reihe von Hügeln erbaut worden, deren genaue Zahl jedoch niemand nennen kann. Ich erfahre auch, dass der Markt (der Aktienmarkt, nicht etwa der hiesige Wochenmarkt, obwohl der eine durchaus als Unterabteilung des anderen bezeichnet werden könnte) im Augenblick eher schwach sei, weil zahlreiche Leute verschwunden seien, und natürlich auch wegen des Brandes, der neulich das Rohr (das alte JR) beschädigt habe. Nicht wenige aber erwarten, es werde bald wieder aufwärts gehen, sobald diese Angelegenheiten geklärt seien. (Geklärt? Wie denn? Nun ja, geklärt eben.) Ich erfahre, dass Jorgmund inzwischen seine Betriebszentrale nach Haviland verlegt hat, auch wenn der alte Hauptsitz nach wie vor ein Stück entfernt am Rohr (am »Silberstrahl«) liegt, dort, wo alles begann. All das finde ich mäßig interessant, aber deshalb bin ich nicht hier. Ich warte. Früher oder später müssen sie mich bitten mitzuspielen. Das tun sie auch. Buddy Keen, vom Hals aufwärts gerötet und mit Schweißtropfen an den Ohrläppchen, macht den Anfang. Ob ich vielleicht auch um den Titel spielen möchte? Ich bleibe höflich und gebe mich überrascht. Aber nein. Nein, ich warte auf jemanden. Buddy entgeht die leichte Betonung nicht. Seine Augen strahlen. Eine junge Dame etwa? Im Club gibt es eine Tennisabteilung, die auf gemischte Spiele spezialisiert ist, bei denen es nur wenige oder gar keine Beschränkungen hinsichtlich des Körperkontakts gibt. Und die Teilnehmerinnen seien klasse Mädchen! Echt heiße Tennismädchen, die einem sofort an die Wäsche gehen. Jawohl!
    »Nein«, murmele ich unendlich gelangweilt. »Ich bin hier, um Richard zu treffen.«
    »Richard?«
    »Washburn.«
    »Sie meinen Dick?«
    »Ich nenne ihn Richard.«
    »Wie ungewöhnlich.«
    Das ist ganz einfach. Niemand hier sagt die Wahrheit. Jeder passt sich den anderen an. Sie tun gewisse Dinge, weil sie dabei gesehen

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