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Die gelöschte Welt

Die gelöschte Welt

Titel: Die gelöschte Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nick Harkaway
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werden müssen. Es sind Bürotrottel vom Typ D oder sogar E, die auf eine Beförderung hoffen. Sie sind hier, um ein Stück ihrer Identität zu verlieren und sich dem Ideal anzunähern. Die Regeln, die sie kennen, sind nicht ihre eigenen Regeln, und wer sie furchtlos bricht, muss in einer höheren Klasse spielen.
    Ich sehe auf die Uhr. Sie ist nicht sehr teuer. Sie starren. Sofort gehe ich darauf ein.
    »Ein Stück Schrott. Hab sie von jemandem gewonnen.«
    »Um das Ding haben Sie gewettet?«
    »Darum … und um seinen Job.« Sie schlucken vernehmlich, Roy Massaman weicht einen Schritt zurück.
    Ja, ihr Winzlinge, ich töte und fresse meine Beute.
    »Weiß jemand, wo Richard steckt? Ich habe einen Termin um fünf, kann ihn aber vielleicht noch später erreichen.«
    »Er geht heute Abend zur Party.«
    »Gut. Dann treffe ich ihn dort. Ist das wegen dieser Aufsichtsratssitzung?«
    »Äh, nein. Gibt es eine Aufsichtsratssitzung?«
    »Wenn es keine gibt, bin ich umsonst gekommen. Also, wo steckt denn Richard nur?«
    Natürlich sagen sie es mir. Sie wollen doch gern einem Kollegen helfen. Vor allem einem, der ihr nächster Boss sein könnte. Buddy Keene starrt mich an, während in seinem Kopf die winzigen Zahnrädchen mahlen. Denk nach, Buddy. Geh ein Risiko ein. Beziehungen zahlen sich aus.
    Ich werfe Buddy seinen Schläger zu. Dann gehen wir mal einen Schluck trinken, was? Ja, sagen sie glücklich, trinken wir was. Ich trete in den Flur hinaus und entferne mich. Vielleicht kommt er gar nicht. Vielleicht hat er auch überhaupt nichts zu bieten. Aber dann höre ich schwere Schritte hinter mir und das Tappen, als er wieder abbremst.
    »He«, sagt Buddy Keene. »Warten Sie mal.«
    Du meine Güte, was kann er nur wollen?
    »Sie wollen unser Büro besuchen? Hier in Haviland?«
    »Sieht ganz so aus.«
    »Tja …« Buddy Keene lächelt kriecherisch. »In einer Stunde gibt es eine Sitzung des Planungsausschusses. Möchten Sie nicht inoffiziell daran teilnehmen?«
    Ja, Buddy. Das wäre ideal.
     
    Jorgmund gehört das große Gebäude mit dem Anbau auf der linken Seite. Das große Gebäude auf der rechten Seite ist das Bürgermeisteramt. Es ist nicht so groß wie Jorgmunds Sitz mit dem kreisrunden Schlangensymbol, das zwei Stockwerke mehr hat, um seine Überlegenheit zu unterstreichen. Das Bürgermeisteramt hätte durchaus die Erlaubnis gehabt, höher zu bauen. Aber da Jorgmund die Bauarbeiten ausführte, kam es irgendwie nie dazu, dass die zusätzlichen Stockwerke auch errichtet wurden.
    Wir befinden uns jetzt in einem mittleren Stockwerk. Buddy Keene hat allen erklärt, dass ich auf gar keinen Fall hier sei; und ihnen zu verstehen gegeben, ich sei ein hohes Tier von irgendwo weiter hinten am Silberstrahl. Er sagt es mit der absoluten Überzeugung eines Menschen, der als Erster befördert werden will, wenn ich weiter aufsteige. Diese Gier ist unglaublich überzeugend.
    Lächelnd klappt Buddy Keene seinen ersten Ordner auf und klatscht ihn vor sich auf den Tisch. »Also gut«, sagt er. »Lasst uns die Welt regieren.« Alle grinsen. Ich halte das zwar für einen Witz, doch ein paar Minuten später wird deutlich, dass es mindestens teilweise ernst gemeint war. Sie beherrschen zwar nicht die Welt, aber sie planen für Haviland City. Und was in Haviland geregelt wird, gilt auch für alle anderen Teile von Jorgmunds Reich, also für die ganze Welt.
    Alles in Jorgmund wird von der Zentrale bestimmt. Die Zentrale ist die höchste Autorität, die letztlich alles festlegt. Natürlich wollen alle in die Zentrale vordringen. Das wird aber dadurch erschwert, dass niemand weiß, wer dazugehört. Buddy Keene ist sich fast zu einhundert Prozent sicher, dass Humbert Pistill zur Zentrale gehört. Das bedeutet, dass Dick Washburn in der Zentrale Gehör findet – falls so etwas überhaupt möglich ist –, und ich laufe hier herum und mache allen deutlich, dass ich dem überlegen bin, der einen kennt, der fast sicher zu den großen Jungs gehört.
    Zwischen uns in diesem Raum und der höchsten Ebene des Olymp – wie diese auch aussehen mag – wacht der Leitungsausschuss. Der Leitungsausschuss besteht aus Leuten, die der Zentrale unbedingt angehören möchten und sich deshalb unendlich viel Mühe geben zu zeigen, wie rücksichtslos und profitorientiert sie denken können. Sie gehen die Vorschläge des Planungsausschusses durch und lehnen die schwachen, katzenpfotenweichen Ideen ab, bis nur die bulldoggenbissigen Pläne übrig bleiben. Jeder hier

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