Die gelöschte Welt
tintenschwarzen Abgrund des Weltraums. Wenn wir eines Tages nicht mehr existieren, wird immer noch die bemerkenswerte Tatsache übrig bleiben, dass wir überhaupt existieren konnten.
»Ausgezeichnet«, sagt Professor Derek. »Und jetzt kommt der schwierige Teil.« Darauf beugen wir uns alle vor und aktivieren unsere Gehirne, so gut wir eben können, um auf eine echte Sensation vorbereitet zu sein.
Professor Derek dreht sich um und zieht von der Decke des Raumes eine weiße Leinwand herunter. Es ist eine moderne perforierte Version, nicht die alte Sorte, die als Fliegenfänger dient. Der Projektor ist flach, klein und teuer. Deshalb bin ich einigermaßen enttäuscht, als das projizierte Bild nur einen roten und blauen Kreis mit ein bisschen Purpur im Grenzbereich zeigt.
»Rot und Blau«, sagt Professor Derek. »Wenn man sie übereinanderlegt, bekommen wir Purpur. Ja?«
Das nächste Bild besteht aus zwei Teilen. Links befinden sich zahlreiche Kleckse und Kringel. Rechts auch eine Anzahl von Kringeln und Klecksen. Es stellt nichts Bestimmtes dar. Wir warten darauf, dass Professor Derek einräumt, ihm sei ein Fehler unterlaufen, und es handele sich um die mit Fingerfarben gemalten Werke seiner kleinen Tochter. Das tut er aber nicht. Vielmehr drückt er auf einen Knopf, und die Bilder schieben sich übereinander. Auf einmal sehen wir die Silhouette eines Cowboys auf einem Schecken.
»Die Welt, die wir wahrnehmen, ist aus Bausteinen zusammengesetzt. Eine Legierung. Sie ist«, erklärt Professor Derek, falls irgendjemand immer noch nicht verstanden hat, dass unsere Welt aus verschiedenen Elementen besteht, »ein aus mehreren Teilen zusammengefügtes Ganzes. Okay?«
Es geht mir etwas auf die Nerven, von diesem Kerl wie ein Volltrottel behandelt zu werden. Aber er hat vermutlich Schwierigkeiten, zwischen Leuten zu unterscheiden, die tatsächlich sehr dumm sind, und anderen Leuten, die lediglich bedeutend weniger intelligent sind als er.
»Sie befindet sich nicht nur im Gleichgewicht zwischen gegensätzlichen Kräften. Vielmehr ist sie die Überschneidung dieser Kräfte. Diese Dinge – Sie könnten von Elementen oder Essenzen sprechen, falls Sie es altertümlich ausdrücken möchten – sind einerseits das, was wir je nach dem Zustand, in dem es sich befindet, und je nach dem Verhalten, das es gerade zeigt, als Materie oder Energie auffassen, und andererseits sind es Informationen. Materie und Energie existieren. Informationen sagen der Materie oder der Energie, wie sie sich verhalten und was sie tun sollen. Dabei kommt es darauf an …«
Professor Derek unterbricht sich einen Augenblick. »Darf ich davon ausgehen, dass Sie von diesem Moment an immer dann, wenn ich von Materie spreche, wissen, dass ich zugleich Energie meine?« Wir nicken.
»Nun gut. Informationen spielen eine wichtige Rolle – denn sie sind das organisierende Prinzip, ohne welches die Materie einfach nicht existieren kann. Ohne Materie gibt es kein Universum und keinen Ort, um irgendetwas zu tun. Ohne Informationen vergeht auch die Materie. Sie verschwindet einfach. Als Letztes verblasst die Erinnerung. Die Materie kann sich natürlich nicht völlig auflösen, aber sie wird … trügerisch.«
Professor Derek hält das offenbar für poetisch. Der Mann zu meiner Linken findet es »großartig«. Er hat Recht, aber ich glaube nicht, dass er es wirklich durchschaut. Informationen verleihen unserem Universum seine Gestalt und Stabilität. Wenn man sie entfernt, entsteht ein vollkommener Kreis der Abwesenheit. Ein Raum, in dem nichts ist, weil die Materie und die Energie nicht mehr wissen, wie sie sich verhalten sollen, weshalb sie (ich kann es mir nicht anders vorstellen, als dass es schmollend geschieht) zu existieren aufhören. Wie die Spielzeugsoldaten unten im Labor.
Professor Derek und sein Team haben dank seines enormen Intellekts und seiner beachtlichen Erfindungsgabe sowie ihres kollektiven technischen Sachverstands eine Art Heiligen Gral der Bomben geschaffen. Oder wenigstens haben sie die notwendige Wissenschaft vorgelegt, um die Bombe zu bauen. Die Ingenieure versuchen wie immer, ihren Vorsprung einzuholen – deshalb ging gestern die Seitenwand des Tanks entzwei, und General George musste den Nachmittag nur mit einer Uniformjacke und weichen Pantoffeln bekleidet in seinem Büro verbringen. Aber bald werden sie eine kontrollierte Löschung der Welt in einem genau umrissenen Bereich vornehmen können, indem sie die Informationen entnehmen und
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