Die Genesis-Affäre: Mind Control (German Edition)
der geringste Verdacht fallen. Sie stellte sich vor, wie LeClerc vor ihren Augen verhaftet wird und sie ihn dabei verachtend anlacht.
Die komponierten Gegenstände muteten fast wie ein Altar an, wobei Dutronc selbst diesen Eindruck untermauerte, so andächtig, wie sie davor saß und jedes einzelne Teil betrachtete. Im Geiste ging sie noch einmal alle Schritte durch, um nicht einmal eine Kleinigkeit zu übersehen. Nichts durfte schiefgehen.
Plötzlich fiel ihr ein, dass sie die Zimmertür nicht verschlossen hatte. Sie sprang auf und verriegelte sie. Niemand sollte sie stören und Zeugen wollte sie auf keinen Fall riskieren.
Sie setzte sich an den Tisch zurück und begann konzentriert ihre Arbeit. Sie nahm das Glas und hielt es gegen das Licht. Fettspuren ließen deutlich erkennen, wo das Glas angefasst worden war und demzufolge die Fingerspuren zu finden waren. Mit einem schwarzen Filzstift markierte sie die Stellen durch einen kleinen Punkt.
Als sie das Glas wieder auf dem Tisch abgestellt hatte, schraubte sie den Verschluss der Getränkeflasche ab und legte diesen mit der Innenseite nach oben vor sich ab. Anschließend träufelte sie ein wenig Sekundenkleber hinein und wartete, bis dieser auf dem Deckelboden gleichmäßig verlaufen war. Alle ihre Bewegungen tat sie sehr überlegt, nicht hastig, sondern eher langsam. Würde sie jemand beobachten, würde dieser denken, sie bewege sich im Zeitraffertempo.
Vorsichtig stülpte sie den Deckel über den ersten Fingerabdruck und drückte ihn fest, sodass sich der Deckel verformte und an die Wölbung des Glases anpasste. Dabei achtete sie darauf, dass der Kleber nicht direkt mit dem Fingerabdruck in Berührung kam. Jetzt musste Dutronc warten, bis der ausgasende Sekundenkleber mit dem Fett des Fingerabdrucks reagierte und zu einer festen Substanz wurde. Das Ergebnis war eine saubere Nachbildung des Fingerabdrucks, den sie behutsam vom Glas löste und auf ein Blatt Papier legte.
Sie wiederholte diesen Vorgang, bis alle Fingerabdrücke abgenommen waren und als Abguss vor ihr auf dem Papier lagen. Da sie genau wusste, wie LeClerc das Glas angefasst hatte, konnte sie jeden einzelnen Abdruck zuordnen und notierte sich, um welchen Finger es sich jeweils handelte.
Zwischendurch sah sie immer wieder auf ihre Armbanduhr, um im Zeitplan zu bleiben.
Nun nahm sie ihre Digitalkamera, schraubte diese auf das Stativ, stellte den Makromodus ein und fotografierte jeden einzelnen Abdruck. Die Fotos übertrug sie auf ihr No tebook und bearbeitete sie in einer professionellen Grafiksoftware. Akribisch korrigierte sie jede Verunreinigung zwischen den Furchen, bis jeder einzelne Fin gerabdruck per fekt war. Jeder Handgriff war durchdacht und mehrfach geübt worden, sodass an Perfektion keine Wünsche offen blieben.
Während sie die bearbeiteten Fotos auf Folien ausdruckte, öffnete sie das Fenster und inhalierte frische Luft, um sich besser auf die nächsten Schritte konzentrieren zu können. Jeden einzelnen Ausdruck betrachtete sie äußerst kritisch. Jede noch so kleine Unsauberkeit würde die Fingerabdrücke verfälschen, sodass sie nicht mehr LeClerc zugeordnet werden könnten. Die ganze Arbeit wäre umsonst gewesen. Doch diese Sorge musste Dutronc nicht haben. Als sie sich die Ergebnisse ansah, war sie äußerst zufrieden. Besser hätten sie nicht werden können.
Die Arbeit war damit noch nicht beendet. Nun nahm sie den Holzleim und trug an der Unterkante des ersten Ausdrucks einen Tropfen auf die Folie auf. Mit dem Glasröhrchen verteilte sie den Leim, sodass ein hauchdünner Film entstand. Auch diesen Schritt wiederholte sie mit jedem Abdruck.
Als der Kleber getrocknet war, zog sie die feine Schicht äußerst vorsichtig mit einer Pinzette ab. Dies war der schwierigste Teil der Arbeit, denn sollte jetzt ein Duplikat zerreißen, müsste sie von vorn beginnen. Sie atmete auf, als alles gut ging und sie zum Schluss jede Attrappe auf passende Größe zuschnitt. Zufrieden betrachtete sie ihr Werk. Vor ihr lag sozusagen die künstliche Haut von zehn Fingerkuppen.
Als letzte Arbeit druckte sie in sehr großen Buchstaben einen Text aus, der die gesamte Seite ausfüllte: Außer Betrieb.
Zuletzt klebte sie sich die Attrappen mit Theaterkleber auf ihre eigenen Fingerkuppen. Als sie fest waren, steckte sie sämtliche Utensilien in eine Einkaufstüte, die sie in einem öffentlichen Abfalleimer entsorgen wollte. Auf ihrem Notebook als auch auf dem Kamerachip löschte sie alle Fotodateien und
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