Die Genesis-Affäre: Mind Control (German Edition)
Bildschirmen im Übertragungswagen, die bis eben noch den Hinweis auf eine Bild- und Tonstörung zeigten, war plötzlich nur noch Schnee zu sehen. Der Sender war ausgefallen oder abgeschaltet worden. Lena versuchte anzurufen, bekam jedoch keine Verbindung.
»Lass' uns zurückfahren«, sagte sie zu einem Techniker, der auch der Fahrer des Übertragungswagens war. »Im Funkhaus stimmt etwas nicht. Vielleicht können wir helfen. Hier spielt sich sowieso nichts mehr ab.«
»Wie du meinst«, sagte der Techniker eher gelangweilt, der normalerweise schon Feierabend hatte.
Nach der Detonation war es für einen Moment still – totenstill. Niemand begriff, was geschehen war. Fassungslos standen die Menschen da und starrten in das Inferno, ohne zu verstehen. Erst einige Sekunden später löste sich die Starre und ergoss sich in entsetzliche Schreie und erneute Panik. Feuer und Rauch quoll durch die geborstenen Fensterscheiben.
Strobel, der sich mittlerweile im Freien aufhielt, krampfte sich der Magen zusammen, als er beobachtete, wie ein Feuerwehrmann ein weißes Tuch über einen Menschen deckte, der in der Nähe der Garageneinfahrt lag. Gerade noch erkannte er Kramer, der die Bombe in die Tiefgarage bringen wollte. Er hatte es geschafft, vielen Kollegen das Leben zu retten. Gleichwohl war Strobel klar, dass es für ihn selbst zu spät war. Er setzte sich auf einen Bordstein, als er spürte, dass ihn seine Kräfte verließen.
Sein Bewusstsein realisierte nicht, was geschehen war. Er versuchte, seine Gedanken zu ordnen. Wie brisant musste Genesis sein, um zu einem solchen Anschlag bereit zu sein, nur um die Ausstrahlung des Filmmaterials zu verhindern? Wo blieb da die Verhältnismäßigkeit? Strobel erschrak, als ihm plötzlich jemand eine Decke über die Schultern legte. Es war Lena Jansen, die sich neben ihn setzte. Gut eine halbe Stunde saßen sie da, ohne ein Wort miteinander zu reden, bis Lena Jansen vorsichtig fragte, was eigentlich geschehen sei. Sie wusste, wie absurd diese Frage war. Irgendetwas musste sie fragen, um sich und Strobel aus dieser unerträglichen Beklommenheit zu befreien.
Strobel sah sie mit ausdruckslosen Augen an. »Ein Terroranschlag – ein hundsgemeiner Terroranschlag.« Seine Stimme zitterte.
»Aber warum?«, fragte Lena Jansen, die von den Drohbriefen nichts wusste.
»Hätten wir diesen verdammten Filmbeitrag nicht gesendet, wäre dies hier nicht geschehen und Michael Kramer wäre noch am Leben«, sagte Strobel mit sehr leiser Stimme, als spräche er nur mit sich selbst.
»Genesis«, murmelte Jansen, »meinen Sie, es handelt sich um eine terroristische Vereinigung?«
»Wonach sieht es denn aus?«, antwortete Strobel verzweifelt, stand auf und ließ Lena Jansen allein.
»Wir finden heraus, was dahintersteckt – versprochen!«, rief sie ihm hinterher, ohne genau zu wissen, wie sie dies anstellen sollte.
Drei Stunden waren jetzt seit der Pressekonferenz und den Ereignissen im Funkhaus vergangen. Jansen war be reit, über einen befreundeten Sender die weitere Berichterstattung zu übernehmen. Der Übertragungswagen war auf die Frequenz dieses Senders eingestellt.
Als die Sendung begann, wurde kommentarlos der zerstörte Eingangsbereich des Funkhauses gezeigt, wo Feuerwehrleute damit beschäftigt waren, Schläuche einzurollen und Scherben zusammenzukehren. Die Panik, die vor wenigen Stunden herrschte, war verflogen. Hinter den Absperrungen waren nur noch wenige Schaulustige zu sehen, die wahrscheinlich bis zum Abrücken der Feuerwehr aushielten. Sie spekulierten und wohl jeder glaubte zu wissen, was geschehen war. Die meisten gingen von einem schrecklichen Unglück aus, nur wenige dachten an das, was es wirklich war: ein Anschlag.
Auf die Fernsehbilder wurde der Titel ›Terroranschlag auf Funkhaus‹ gelegt, untermalt mit dem Song Only Time , der seit dem 11. September zu einer Art Terrorhymne geworden war und für eine bedrückende Stimmung sorgte. Während dieser Minute, die nicht enden wollte, bereitete sich Lena Jansen auf ihre wohl schwerste Moderation vor.
Angesichts dieser Tragödie schien es so, als sei der Rücktritt des Bundeskanzlers zur Nebensache geworden. Wer konnte zu dieser Stunde auch wissen, dass beides in gewisser Weise zusammenhing. Lena Jansen kämpfte mit den Tränen, als sie in ihrem Ohrhörer die Songzeile Who can say where the road goes hörte. Niemand konnte vorhersehen, wie bedeutsam diese Zeile werden würde. Die Lage hatte sich beruhigt, dennoch wurde Lena
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