Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
zerstört.
Nachdem das Gulasch nun ausgekühlt ist, bemerken Sie, dass es fest geworden ist. Es hat seine Sämigkeit verloren – nun könnte man es wie eine Sulz schneiden. Danach wärmen Sie es wieder auf. Dabei kommt es zu einem interessanten Effekt: Das Gulasch brennt an. Zuerst erreicht der untere Bereich des Topfes eine höhere Temperatur. Dabei wird das Gulasch flüssig, und es versucht die oberen Bereiche zu erwärmen. Das flüssige warme Gulasch kann aber nicht aufsteigen, weil der obere kalte Bereich noch hart und fest ist. Sie dürfen also nicht vergessen, umzurühren. Aber bitte nicht den rechten Bereich des Topfes mit dem linken Bereich vertauschen, sondern immer von unten nach oben. Dabei werden die warmen flüssigen mit den kalten und festen Bereichen vermengt. Zum Glück wird ein Teil des Gulaschs ein wenig anbrennen. Normalerweise ist dies verpönt, aber wenn es nicht zu stark anbrennt, liefert dies zusätzliche Geschmacksstoffe. Diese entstehen erst bei Temperaturen von über 140 °C bis 200 °C durch die Maillard-Reaktion. Über diese Reaktion werden wir noch später diskutieren. Speisen beginnen bei rund 200 °C zu verbrennen, also muss man vorsichtig sein, damit das Gulasch beim Aufwärmen zusätzliche Aromen liefert, aber dennoch nicht wirklich verbrennt. Dies ist auch der Grund, warum man in Wien sagt, dass man ein Gulasch mindestens zwei Mal anbrennen lassen sollte.
Wenn das Gulasch als Ganzes wieder flüssig ist, lassen Sie es wieder abkühlen und führen dieselbe Prozedur noch einmal durch. Natürlich könnten Sie das Gulasch auch nur einmal anbrennen lassen, dann dafür ordentlich, aber ich bezweifle, dass Sie das möchten. Es kann nämlich sehr schnell gehen, dass das Gulasch dann tatsächlich verbrannt ist. Also lieber zwei Mal gerade leicht angebrannt als ein Mal zu viel. Dieses Gulasch muss nicht mehr mit Mehl gebunden werden, es erhält seine Sämigkeit aufgrund von Kollagen. Nun ist das perfekte Rindsgulasch fertig.
Interessanterweise gibt es nicht nur das kollagengebundene Gulasch, sondern auch das stärkegebundene Gulasch und diverse Mischformen. Beim Kartoffelgulasch haben wir entweder Kartoffeln verwendet, die etwas Stärke abgeben, oder wir müssen später das Gulasch mit Mehl oder Kartoffelstärke binden. Warum das Mehl Saucen so gut bindet, wird später verraten. Als Mischform könnte man das Chili con Carne bezeichnen: Die Bindung erhält es einerseits vom Fleisch und andererseits von der Stärke der Bohnen.
Es gibt aber nicht nur das klassische Rindsgulasch, sondern man kann auch noch andere Arten von Gulasch unterschieden:
Andrassy-Gulasch: Rindsgulasch mit Haluska (gekochte Fleckerl mit geröstetem Speck) als Beilage.
Bauerngulasch: Rindsgulasch mit kleinen Semmelknödeln.
Bosnisches Gulasch: Gulasch aus Rinds-und Hammelfleisch und Kartoffeln.
Debreziner Gulasch: Im Rindsgulasch werden kurz vor dem Fertigwerden zwei grüne, in Streifen geschnittene Paprikaschoten mitgedünstet, zuletzt zwei Stück Debreziner Würstchen, in Scheiben geschnitten, beigegeben und leicht erwärmt. Mit Salzkartoffeln servieren.
Esterházy-Gulasch: Ist ein Rahmgulasch, mit extra gedünsteter Wurzeljulienne (ohne Zwiebeln), Kapern und Erbsen vermischt. Man reicht dazu Salzkartoffeln.
Fiakergulasch: Ein Saftgulasch wird mit Spiegelei, Fächergurken, Einspänner (einem Würstel) und rotem Paprikasalat garniert. Als Beilage wird ein Semmelknödel serviert.
Gulasch auf Fiumer Art: Rindsgulasch mit Speckwürfeln, Kartoffeln und zerteiltem Kohl.
Herrengulasch: Zum fertigen Saftgulasch werden Pommes frites serviert.
Hunyadi-Gulasch: Schweinsgulasch.
Kaisergulasch: Gulasch aus Lungenbratenparüren mit abgeschmalzenen Nudeln.
Gulasch auf Karlsbader Art (Karlsbader Gulasch): gebunden mit 1/8 l Sauerrahm und 10 g Mehl. Als Beilage werden Nockerl gereicht.
Karoly-Gulasch: Rindsgulasch mit Paradeisern (Tomaten) und würfelig geschnittenen Kartoffeln.
Lungenbratengulasch: Gulasch mit Lungenbratenparüren, angesetzt mit einem Schuss Rotwein.
Palffy-Gulasch: Rindsgulasch, obenauf garniert mit würfelig geschnittenem, in Butter gedünstetem Wurzelwerk.
Gulasch auf Pester Art: Gulasch mit Tarhonya und grünem Paprika.
Serbisches Gulasch: Rindsgulasch mit in Streifen geschnittenen grünen Paprikaschoten garniert, oder zwei nudelig geschnittene Paprikaschoten werden mitgedünstet, zuletzt geschälte, ausgedrückte, würfelig geschnittene Paradeiser dazugemengt.
Szegediner Gulasch: Dabei
Weitere Kostenlose Bücher