Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
sich einen Spiegeleierring. Dabei handelt es sich um einen Ring aus Metall, den man einfach in eine Pfanne legt. Er verhindert, dass sich das dünnflüssige Eiklar über die ganze Pfanne ergießt. Erwärmen wir wiederum diese kleine Pfanne oder die große mit dem Spiegeleierring, geben etwas Butter dazu, und nachdem die Butter geschmolzen ist, zerschlagen wir zwei Eier und lassen sie vorsichtig in die Pfanne gleiten. Dieses Mal wird sich das Eiklar nur bis zum Rand ausbreiten, und die beiden Dotter sitzen wie zwei Könige auf dem Eiklar. Nun erwärmen wir die Eier – vorsichtig. Nicht vergessen, mit der Gabel ein paar Mal in das Eiweiß hineinstechen, damit der Dampf entweichen kann. Nach einigen Minuten erhalten wir die perfektesten Eier – aber es sind keine Spiegeleier, sondern „nur“ Ochsenaugen. Fragen wir uns, wo der Begriff Spiegelei überhaupt herkommt. Unter einem Spiegel versteht man im Mittelalter entweder eine Aussichtsplattform oder eine gerade, gleichmäßige Fläche. Das Spiegelei sollte gleichmäßig weiß sein, auch über dem Dotter. Das ist gar nicht einmal so einfach, wie man glauben möchte.
Ich werde des Öfteren gebeten, meine Kochkünste und den Inhalt dieses Buches im Rahmen eines Kochvortrags zu demonstrieren. So entstanden auch im Rahmen der Fortbildungswoche für Physiklehrerinnen und Physiker im Februar die „Faschingsdienstagsvorlesungen“. In drei aufeinanderfolgenden Jahren gab es je einen Vortrag mit folgenden Titeln: „Kampf ums Gulasch“, „Das Spiegelei schlägt zurück“ und „Die Rückkehr des guten Geschmacks“. Ich habe noch einige Vorträge gehalten, bei denen gekocht, experimentiert und auch erklärt wurde. Aber ich habe mich nie getraut, ein perfektes Spiegelei vor Publikum zuzubereiten – bis heute nicht. Vielleicht, wenn ich ein paar Tage üben würde, aber auch dann hätte ich noch ein ungutes Gefühl. Ein befreundeter Koch erzählte mir einmal, dass Paul Bocuse, wenn er einen Kollegen vorführen wollte, ihn bat, einfach eine Eierspeise zuzubereiten. Nur ganz wenige Köche bestanden die Prüfung.
Versuchen wir ein perfektes Spiegelei. Wir brauchen wieder unser kleines Pfännchen. Butter erwärmen und die beiden Eier vorsichtig hineingleiten lassen. Und jetzt kommt das Schwierige. Wir erwärmen die Eier nicht nur von unten, sondern auch von oben. Dazu benötigen wir einen Deckel. Der Dampf steigt normalerweise auf und erwärmt die Luft über der Eierspeise. Verwenden wir aber einen Deckel, so kann der Dampf nicht nur am Deckel kondensieren, sondern auch am Dotter. Der Dotter selber ist mit einer dünnen Schicht von Eiklar umgeben. Diese Schicht wird weiß, wenn sie erwärmt wird. Und das genau ist die Kunst: Der Dotter darf von oben und von unten gerade nur von der Flamme „geküsst“ werden. Er soll cremig bleiben, und unter gar keinen Umständen darf er hart und fest werden. Mit Dampf zu arbeiten ist schwierig – lässt man ihn einen Augenblick zu lange wirken, so hat man harte Eier. Am besten ist ein durchsichtiger Glasdeckel, dann erkennt man sofort, wenn das Eiklar über dem Dotter geronnen ist. Man kann auch etwas Alufolie verwenden. Das hat den Vorteil, dass ein Teil des Dampfes entweichen kann und damit die Wärmeübertragung nicht so hervorragend ist, wenn die Alufolie nicht ganz perfekt den Topf abschließt. Dadurch hat man zeitlich etwas mehr Spielraum.
Eine etwas andere Variante, perfekte Spiegeleier zuzubereiten, besteht in der Verwendung eines Backrohrs. Diese Variante funktioniert eigentlich sehr gut und problemlos, wenn man sein Backrohr kennt. Dafür werden die Eier in eine bebutterte feuerfeste Form gegeben und das Ganze dann in das Backrohr bei rund 180 °C ohne Deckel gestellt. Nach ein paar Minuten ist das Eiklar perfekt aufgegangen, der Dotter schimmert nur mehr leicht durch – das Leben macht wieder Freude ...
Gelingt das perfekte Spiegelei mit der Bratpfanne, so kann man auch am Schluss noch einen gravierenden Fehler begehen: salzen und pfeffern. Sie sollten dem Gast Salz und Pfeffer anbieten, denn Ihr Gast weiß am besten, was ihm persönlich schmeckt, und vor Jahrhunderten war es verpönt, ein Spiegelei zu pfeffern. Es hätte sich auch um den Staub aus einer unhygienischen Küche handeln können.
Wenn wir schon beim Spiegelei sind, sollte auch noch kurz der Unterschied zwischen einem Rührei und einer Eierspeise erwähnt werden. Bei einer Eierspeise werden die Eier in einem Häferl verrührt und dann in die bebutterte Pfanne
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