Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
schnell aus. Deshalb sollten Sie vielleicht mit weniger Leistung arbeiten, dafür aber länger – so kann sich die Wärme gleichmäßig ausbreiten, und das Essen schmeckt dann auch besser. Denn eines muss ich klarstellen: Erwärmen Sie mit der Mikrowelle richtig, so schmeckt das Essen genauso gut, wenn nicht sogar besser, als wenn Sie die Mahlzeit konventionell nachwärmen würden.
Ein schönes Beispiel ist Kaffee. Wärmt man Kaffee konventionell auf, nämlich in einem Topf über einer Herdplatte, so wird der Kaffee malzig schmecken. Im Mikrowellenherd wird dies nicht passieren.
Über eines dürfen wir allerdings nicht hinwegsehen: Mit einem Mikrowellenherd kann man nur schwer Temperaturen über 100 °C erreichen. Vergessen wir nicht, dass wir nur Wasser erwärmen können, und dieses verdampft bekanntlich schon bei 100 °C. Es kommt zu keiner Bräunung, und auf zusätzliche Geschmacksstoffe müssen wir verzichten. Aber wenn man in der Küchenphysik Bescheid weiß, kann man sich helfen.
Einen extrem großen Vorteil besitzt der Mikrowellenherd bei der Erwärmung von Milch. Da kann ein Topf einfach nicht mit. Damit sind wir bei einem weiteren Problem angelangt: Warum kann Milch überhaupt übergehen, Wasser aber nicht?
Milch ist eine Emulsion, das heißt, es ist Öl im Wasser gelöst. Damit sich beides nicht trennt und das Öl obenauf schwimmt, gibt es Netzmittel. In der Milch ist es das Kasein, das die kleinen Öltröpfchen tarnt. Diese Moleküle lagern sich mit ihrem fettfreundlichen Teil um das Öl an, während der wasserfreundliche Teil nach außen in Richtung Wasser weist. Erwärmt man nun die Milch, so passiert am Anfang noch gar nichts Spannendes. Die einzelnen Wassermoleküle und die Öl-Netzmittelcluster bewegen sich einfach schneller. Aber bei 74 °C kommt es dazu, dass die Molkenproteine denaturieren – sie verändern ihre Gestalt. Dadurch können sie nicht mehr so gut die Öltröpfchen vor dem Wasser schützen. Gleichzeitig werden auch einige dieser Moleküle, die vorher an die Fetttröpfchen gebunden waren, frei. Die hitzestabilen Kaseinmoleküle versuchen die denaturierten Molkenproteine zu umschließen – dadurch bleiben sie in der Flüssigkeit und können sich dort weiterhin bewegen. Erhöht man die Temperatur weiter, so beginnt auf der Oberfläche Wasser zu verdampfen. Durch das fehlende Wasser kann das Kasein nicht mehr ausreichend dafür sorgen, dass diese Cluster mit den Molkenproteinen in der Flüssigkeit gelöst bleiben. Sie beginnen zu verklumpen. Dadurch bildet sich auf der Oberfläche eine Milchhaut.
Steigt die Temperatur weiter an, so bilden sich kleinste Dampfbläschen. Diese werden nach oben steigen. Dabei treffen sie auf die denaturierten Proteine. Diese klammern sich an den Dampf, ihnen fehlt es ja an Fett, das sie lieber haben würden. Dabei entstehen auf der Oberfläche vor allem im Bereich des Topfrandes Milchbläschen. Es bildet sich ein kleiner, unscheinbarer Schaum. Jetzt wird der Zustand der Milch kritisch. Es entstehen immer mehr Dampfblasen, die aufsteigen, aber sie können nicht entweichen: Es hat sich ein Deckel aus Milchschaum und Milchhaut gebildet. Die Temperatur steigt weiter an, bis größere Dampfblasen entstehen. In der finalen Phase drücken sie dann diesen Deckel nach oben, und die Milch geht über. Das muss nicht passieren – beobachten Sie die Milch, während sie kocht, erkennen Sie die Anzeichen des drohenden Überlaufens und können damit rechtzeitig den Topf zur Seite schieben.
Die Industrie bietet ja einige Hilfsmittel an, die das Überlaufen der Milch verhindern. Zum einen sind es Kugeln, die man in die kalte Milch legt. Sie haben den Vorteil, dass sie die Wärme, die vor allem am Topfboden entsteht, aufnehmen. Dadurch kommt es zu einem verzögerten Anstieg der Temperatur im Milchtopf, und man gewinnt Zeit. Der Nachteil ist aber auch, dass das Milchkochen länger dauert. Zum anderen besteht die Möglichkeit, die Milch im Wasserbad zu kochen. Es gibt den Simmertopf, in dem man die Milch stundenlang kochen lassen kann, ohne dass sie überläuft. Diesen Topf, von verschiedenen Firmen hergestellt, will ich Ihnen auf alle Fälle auch für andere Dinge sehr empfehlen. Er eignet sich hervorragend, um Schokolade zu schmelzen, Brandteig herzustellen und für vieles mehr.
Die Schwierigkeit ist ja nicht, dass Sie neben dem Topf stehen und der Milch beim Überlaufen zusehen. Nein, das Problem besteht darin, dass Sie meist noch etwas anderes tun möchten, wie
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