Die Genussformel: Kulinarische Physik (German Edition)
Saucen zu binden, besteht in der Verwendung von Gelatine. Das Prinzip wurde ja schon beim Gulasch beschrieben. Aber gerade bei Säften, bei einem Rinderbraten zum Beispiel, haben wir schon im Saft etwas Gelatine. Es sollte aber vermieden werden, einen Bratensaft nur mit Gelatineblättern zu binden. Sie werden sehr viele Blätter benötigen. Wählen Sie hier besser eine Variation aus einer Bindung mit ein paar Flocken Butter und einem Gelatineblatt. Mit dem einen Gelatineblatt, das natürlich vorher in Wasser eingelegt wurde, braucht man bedeutend weniger Butter, um eine stabile Sauce zu bekommen.
Mehl – der Klassiker
Schließlich lassen sich Saucen mit dem Klassiker binden: dem Mehl. Mehl besteht aus Stärkekörnern, die beim Kontakt mit Wasser zu quellen beginnen. Das bedeutet, dass sich Stärkemoleküle aus den einzelnen Körnern herauslösen. Es sind zwei Moleküle, die hier wirksam werden: das Amylopektin und die Amylose. Das Amylopektin ist ein kleines, aber sehr sperriges Molekül, während die Amylose eher länglich ist. Durch ihre Länge kann sie aber insgesamt sperriger sein und die Viskosität massiv erhöhen. Diese langen, fadenartigen Moleküle behindern die anderen Moleküle in ihrer Bewegung. Und genau das wollen wir.
Leider gibt es ein Problem. Die Stärkekörner kleben leicht aneinander, und kommt Wasser hinzu, so quillt die Oberfläche zu einem Klumpen auf. Dann kann kein Wasser mehr in das Innere der Stärkekörner hinein, um weitere Moleküle herauszulösen. Die Stärke löst sich dann in der Sauce nicht mehr auf.
Deshalb vermengt man das Mehl mit der Butter. Die Butter überzieht die einzelnen Stärkekörner mit einer Fettschicht. Sie werden dadurch getrennt. Gelangen dann diese mit Fett überzogenen Stärkekörner in den heißen Bratensaft, schmilzt das Fett. Dieses lagert sich wiederum zu kleinen Kügelchen an. Durch die Netzmittel der Butter trennt sich das Fett nicht von der Flüssigkeit. Gleichzeitig kann nun das Wasser des Bratensafts die Stärkekörner auflösen, und die freigesetzte Amylose erhöht die Viskosität der Sauce.
Deshalb macht man eine Einbrenn (Mehlschwitze). Butter wird mit Mehl in einer Pfanne erhitzt, am besten verwendet man eine Teflonpfanne. Diese Mischung sollte einige Minuten rösten, dadurch entstehen wieder einmal durch die Maillard-Reaktion zusätzliche Aromastoffe. Damit verschwindet auch der typische Mehlgeschmack. Diese Einbrenn kann man natürlich schon vorbereiten, und sie lässt sich auch im Kühlschrank gut lagern.
Gibt man die Einbrenn in die Sauce, sollte man unbedingt darauf achten, dass die Sauce nicht kocht. Die Amylose zerfällt bei einer Temperatur von über 92 °C. Dadurch ist sie nicht mehr sperrig, und die Sauce verliert an Viskosität. Dann müsste man erneut eine Einbrenn einarbeiten.
Bei manchen Saucen wird auch Essig für den Geschmack verwendet. Diese Saucen sollten nicht mit Mehl gebunden werden, denn die Säure zerstört das Amylopektin. Oder man bietet den Essig erst bei Tisch an und „parfümiert“ die Sauce nachträglich.
Selbstverständlich ist es in Wien üblich, es sich beim Kochen manchmal etwas einfacher zu machen. Anstelle einer Einbrenn kann man sich auch mit einer Mehlbutter behelfen. Dafür nehmen Sie einen Teil Butter und einen Teil Mehl, egal welches, und vermengen beides sehr gut. Dann lassen Sie das Ganze noch einen Tag stehen. So können die Stärkekörner ein bisschen zu quellen beginnen – es befindet sich ja ausreichend viel Wasser in der Butter. Korrekterweise muss man sagen, dass diese Mehlbutter nur eine Notlösung ist – eine gute Einbrenn ist ihr sicher vorzuziehen.
Eine etwas exotische, in letzter Zeit kaum mehr verwendete Art, Saucen zu binden, sollte aber doch erwähnt werden: die Bindung einer Sauce durch frisches Blut. Dieses enthält sehr viele Eiweißstoffe, die unter Temperatureinfluss gerinnen und somit zu einer Verdickung der Sauce führen. Das frische Blut wird bei mäßiger Temperatur, unter 80 °C, einfach in die Sauce eingerührt.
Am besten bespricht man sich mit seinem Fleischhacker, der Ihnen sicher helfen kann, frisches Blut zu bekommen. Meist erhält man nur Schweineblut, aber bei Wildgerichten verleiht das Blut von Hasen oder Hirschen den Gerichten den letzten Pfiff.
Rezepte zu diesem Kapitel
Rindsbratensauce, Braune Grundsauce, Demi-glace
1,5 kg
Knochen, vom Rind und Kalb, klein gehackt
1/2 kg
Rindfleisch, Parüren, grob geschnitten
2
Stück Ochsenschlepp
50 g
Selchspeck
1/4
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