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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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uns hört.«
    »Aber wenn wir versuchen, die Schiffe in die Häfen zurückzurufen, bricht völliges Chaos aus.« »Ja«, erwiderte Stagg finster.
    »Und die Deutschen bekommen garantiert etwas davon mit.«
    »Ja«, wiederholte er noch finsterer.
    Während er mir all das erzählte, spazierten wir im Mondlicht um die düstere viktorianische Villa Southwick House. Ein Dienstwagen nach dem anderen hielt knirschend auf dem Kiesparkplatz - Packards, Morrises, Lea Francises. Aus einem der Wagen stiegen Smuts und Churchill und sahen aus wie Laurel und Hardy - ihre Gesichter, die kurz in der Außenbeleuchtung zu sehen waren, wirkten schwermütig. Bevor der Premierminister uns Wetterleute erkennen konnte, die all die schlechten Nachrichten brachten, wandten wir uns schnell ab und gingen noch einmal ums Haus.
    »Es heißt, Eisenhower beschwert sich, weil Churchill ihm immer die Donuts wegisst«, flüsterte Stagg. »Und Montgomery passt es nicht, dass Eisenhower raucht.«
    Stagg war erleichtert, dass er ihnen endlich eine Prognose ohne Einschränkungen hatte geben können, auch wenn es wahrscheinlich bedeutete, dass die Invasion verschoben werden musste. »Es geht mir wirklich besser«, sagte er, »aber wenn Montag gutes Wetter ist, hängen die mich dafür auf.«
    Als wir das Haus umrundet hatten, schritten wir auf den Rasen davor zu. Es war Vollmond, fast windstill und völlig wolkenlos. Alles in allem war es fast wie einer von Rymans kurzen Momenten im Paradies - ein Zustand »völlig frei von Turbulenz«, der einem Gleichgewicht der Atmosphäre so nah ist, wie es nur geht. Allerdings sagten wir für den Morgen dichte Wolken und starke Winde voraus. Es schien einfach nicht zusammenzupassen. Doch in Wirklichkeit brauten sich bei diesen scheinbar ruhigen Hintergrundbedingungen oft mächtige Wetterereignisse zusammen. Außerdem musste ich jetzt endlich meinen Rubikon überschreiten.
    »Ich gehe jetzt zurück und versuche noch ein letztes Mal, die Ryman-Zahl auf die WANTAC-Werte anzuwenden«, sagte ich, während wir über die dunklen Flächen hinter dem Rasen blickten, wo sich geisterhafte Zeltreihen durch das Gras zogen und Rhododendronbüsche aufragten wie Seeungeheuer.
    »Erklären Sie mir altem Dummkopf doch mal, warum WANTAC so unglaublich wichtig ist und was das Ganze mit Ryman zu tun hat.«
    »Ich glaube, WANTACs abweichende Messwerte sind darauf zurückzuführen, dass es sich an einer von Rymans Wettergrenzen befindet, am Rand eines schmalen Hochdruckgebiets, das uns genau die Sturmpause gibt, die wir brauchen. Ich bin davon überzeugt, dass die Instrumente fehlerfrei funktionieren, aber ich habe es noch nicht geschafft, die Zahlen in ein synoptisches Modell zu übertragen. Wieder geht es um seine Zahl.«
    »Tut mir leid, aber ich verstehe es immer noch nicht«, erwiderte Stagg, dessen Schritte neben mir im Kies knirschten.
    »Die Ryman-Zahl beschreibt, wie turbulent eine Atmosphärenparzelle ist. Sir Peter hatte mich nach Schottland geschickt, um herauszufinden, wie breit und hoch diese Parzellen sind - die Reichweite einer einzelnen Zahl also. WANTACs Messwerte sind deshalb so wichtig, weil sie eventuell auf genau den kleinen Hochdruckabschnitt hinweisen, den Eisenhower braucht. Wenn es wirklich so ist, ist unsere Arbeit hier getan.«
    »An Ihrer Stelle würde ich mich lieber mal hinlegen; unsere Arbeit ist noch lange nicht getan«, erwiderte Stagg barsch.
    Wir standen am Rand des Rasens. Ich trat mit der Fußspitze gegen die Kante.
    »Da fällt mir etwas ein, was ich Ihnen noch sagen wollte«, setzte Stagg fort. »Air Marshai Tedder hat mich nach der Konferenz beiseitegenommen und gesagt, dass wir - also die Briten - ein paar Meteorologen mit der Invasion aufs Festland schicken sollten, die überprüfen, wie genau unsere Vorhersagen mit der Realität vor Ort übereinstimmen. Die Yankees haben wohl zwei komplette Staffeln Wetterbeobachter dabei. Wir dagegen haben einfach keine Leute mehr. Tedder hat mit Sir Peter gesprochen, und der hat mich angerufen und gefragt, ob Sie nicht mitgehen wollen, da Sie ja jung und einsatztauglich sind und sich mit der Lage auskennen. Er hat gesagt, es wäre vielleicht eine Möglichkeit für Sie, die Sache mit Ryman wiedergutzumachen.«
    »Tatsächlich?« Instinktiv wollte ich sofort Nein sagen, aber stattdessen erbat ich mir etwas Zeit, um darüber nachzudenken. In gewisser Weise war es eine große Ehre, gefragt zu werden - doch ich hatte keinerlei militärische Ausbildung. Ich war

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