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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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erschöpft und überwältigt von der Bedeutung der Frage und starrte hinauf in den Nachthimmel. Die Sterne schienen zu zittern, als hätten sie dieselbe Vorahnung.
    »Ich bin kein Soldat«, sagte ich, als wir uns umdrehten und wieder auf das Haus zugingen, dessen verdunkelte Fenster winzige Lichtränder hatten, die von oben nicht zu sehen waren.
    »Das ist natürlich ein Nachteil«, erwiderte Stagg. »Aber es würde sehr helfen, wenn jemand, der sich wirklich mit der Materie auskennt, die theoretischen Vorhersagen mit den tatsächlichen Gegebenheiten vor Ort abgleicht. Überlegen Sie es sich auf jeden Fall, denn selbst wenn wir heute verschieben, müssen wir im Laufe der nächsten drei Wochen angreifen, ob das Wetter mitspielt oder nicht.«
    Er lachte verbittert. »Nur leider ist das hier kein Spiel. Kommen Sie, wir sollten langsam zurückgehen.«
    Als wir zurück zum Haus gingen - und gerade auf dieses viktorianische Monstrum zukamen -, hörten wir schwere Schritte auf dem Kies und trafen kurz danach einen nach Luft schnappenden General Bull, der uns gesucht hatte.
    »Verschwinden Sie doch nicht einfach so! Ich soll Ihnen ausrichten, dass Montag wahrscheinlich verschoben wird. Das würde heißen, dass wir heute wieder bei D-Day minus drei stehen.«
    Das bedeutete, die Invasion würde Dienstag starten, doch ganz so einfach war es nicht. »Aufgrund Ihrer Prognose will General Eisenhower den D-Day gleitend Stunde für Stunde und Tag für Tag aufschieben«, setzte Bull fort. »Wir treffen uns morgen früh um vier Uhr fünfzehn, und je nachdem, was Sie sagen, wird er die Verschiebung bestätigen oder nicht. Wenn möglich, wird er dann oder später am Tag definitiv festlegen, ob der D-Day Dienstag stattfindet.«
    Es hörte sich sehr vorläufig an, aber es war wirklich geschehen. Gemeinsam hatten wir, Stagg und ich, Krick, Petterssen, Douglas und die Admiralität, unterstützt von Tausenden anderen Mitarbeitern der alliierten Wetterdienste, dafür gesorgt, dass eine Entscheidung getroffen worden war. Es war, als wäre Rymans Vorhersagefabrik endlich Wirklichkeit geworden - allerdings wussten wir immer noch nicht sicher, ob die Entscheidung, die Invasion zu verschieben, die richtige gewesen war. Der Himmel war fast völlig klar, es gab keinen Regen.
    »Vielleicht ist es auch Wahnsinn, Sie unter diesen Bedingungen durch die Normandie zu jagen«, sagte Stagg, als Bull gegangen war.
    »Nein«, erwiderte ich. »Ich gehe mit.«
    Ein seltsames Gefühl hatte mich in der Gegenwart des Generals ergriffen. Die Angst und Erschöpfung waren von mir abgefallen, und plötzlich wollte ich unbedingt mitten ins Geschehen. Ich wollte unter den Männern sein, deren Schicksal unsere Vorhersage bestimmen würde. Ich hatte mich zu lange hinter meinen Zahlen verkrochen.
    Doch eine letzte Berechnung stand noch aus. Ich musste mich endlich an die Aufgabe machen, auf die ich so lange hingearbeitet hatte. Das hieß, mit neuer Zielstrebigkeit an die Prognoseprobleme heranzugehen und das anzuwenden, was ich von Ryman erfahren und bei den Experimenten bei Saunders-Roe herausgefunden hatte. Gills Geschenk der Patronenhülsen hatte mir neue Kraft gegeben und meinen Eifer entfacht.
    Also ging ich in dieser Samstagnacht wieder hinauf zur Nissenhütte und fing an, die Ryman-Zahl nach der von Gill erklärten Simulationsmethode auf aneinander angrenzende Atmosphärenparzellen anzuwenden, die von WANTAC vor Island bis hinunter in den Kanal reichten. Ich war noch nicht völlig davon überzeugt, aber ich musste es versuchen. Es schien einen Sinn zu ergeben: Da diese Methode ein gewisses Maß an Ungewissheit in die Berechnungen einbezog, war sie die beste Möglichkeit, die Vorhersage zukunftssicher zu machen.
    Ich musste mich gegen die Schwindelanfälle wappnen oder gegen Unsicherheit im Allgemeinen, denn genau das waren sie eigentlich, doch waren die Patronenhülsen und ihr Inhalt wirklich die richtige Medizin? In gewisser Weise wirkten sie wie eine eigene Form des Schwindels, doch vielleicht sollte es genau so sein. Nach der Schlammlawine hatten die Afrikaner in Zomba sich gezielt von Taumelkäfern beißen lassen. Sie sammelten die Käfer aus Gebirgsbächen und -seen und hielten sie sich an die Brustwarzen, wo sie als Verteidigungsreaktion zubissen und ein kräftiges Steroid freisetzten.
    So endete die
Kizunguzungu-Epidemie.
     

4.
    Nach der Drei-Uhr-Konferenz arbeitete ich in den frühen Morgenstunden des Sonntags (4. Juni) mit verschlafenen Augen in der

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