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Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
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ich versuchte den Kasten zurückzustellen, wobei ich mit ihm unten am Regal anstieß. Er klappte auf und verstreute seinen Inhalt, so dass jede Hülse in eine andere Richtung rollte. Ich drehte mich wieder zu Mrs Ryman um, die mich immer noch beobachtete, und kniete mich dann wieder hin, um die Hülsen aufzuklauben. Sie schienen leicht zu rasseln.
    Sie hatte das Zimmer betreten und sah mir gelassen bei meiner hektischen Suche zu. Schließlich stand ich mit drei der größeren Hülsen unter dem linken Arm und einer mittleren in der rechten Hand auf.
    Ich wollte etwas sagen, aber mir fiel unter diesen Umständen nichts Passendes ein.
    »Was zum Teufel tun Sie damit?«, fragte sie und starrte die Hülsen an. Es war, als hätte sie sie noch nie gesehen.
    »Es tut mir schrecklich leid«, keuchte ich schließlich. »Ich wollte nur mal kurz sehen ... Ich bin fasziniert von der Arbeit Ihres Mannes. Die Zahl...«
    »Zahl?«
    »Die Berechnungen meine ich«, ich rang um Worte. »Ich wollte mir ein paar Berechnungen ansehen. Auf dem Kasten stand Zahl.«
    »Auf dem Kasten stand Zahl?« Langsam und ungläubig wiederholte sie meine Worte, als befänden sich Lücken dazwischen.
    Ich trat einen Schritt zurück. Auf der Suche nach dem Kasten fuchtelte ich mit dem Arm hinter mir herum und schlug versehentlich gegen das Objekt mit den rotierenden Stäben. Es fiel scheppernd zu Boden und rollte zwischen die restlichen Hülsen.
    »O Gott«, wiederholte ich mich.
    »Ist Ihnen nicht gut?«, fragte Mrs Ryman. Sie kniete sich hin und hob den Kasten vom Boden auf. »Geben Sie her, Sie Tollpatsch«, forderte sie mich auf. Ich gab ihr eine Hülse nach der anderen. »Und jetzt gehen Sie bitte nach unten«, sagte sie und fing an, den Inhalt des Kastens wieder einzusortieren.
    Es war schrecklich. Wieder suchte ich nach Worten, um das Ganze zu erklären, aber schließlich ließ ich sie zurück, während sie über den Kasten gebeugt die Hülsen nach ihrer Größe ordnete.
     

13.
    Ryman schien meine Abwesenheit nicht bemerkt zu haben. »Diese Verständigung zwischen Religion und Wissenschaft, von der Sie eben gesprochen haben«, sagte er, als ich mich setzte. »Wir sind ihr vielleicht einen Schritt näher gekommen. Man könnte sagen, Glaube ist das Handeln nach einer Hypothese mit dem Ziel ihrer Verifikation.«
    Ich wusste nicht, wie ich seiner Frau jemals wieder würde in die Augen sehen können. Sollte ich mich einfach entschuldigen und sofort gehen? Ich brauchte unbedingt eine Zigarette, aber wir mussten noch zu Ende essen.
    Die Teller des Hauptgerichts waren abgeräumt worden. »Das ist doch nur eine Variante der Pascal'schen Wette«, sagte Grant abschätzig. »Völlig unchristlich, wenn Sie mich fragen. Es lässt einen am Fundament des eigenen Glaubens zweifeln. Das ist keine Glaubensdefinition, die ich akzeptieren kann.«
    Die beiden Gegner hatten anscheinend selbst eine Verständigung erreicht. »Interessanter Mann, Pascal«, kommentierte Ryman. »Hat Gott gesucht und die Statistik gefunden. Und den Zusammenhang zwischen dem Luftdruck und der Höhe über dem Meeresspiegel.«
    In diesem Moment kehrte Gill mit Schälchen und dem Nachtisch zurück, Talgpudding mit Vanillesoße. Ich hatte den Eindruck, dass sie mir kurz zunickte, war mir aber nicht ganz sicher: Meine Augen fixierten den glänzenden braunen Tisch, dessen Oberfläche das Gesicht eines Idioten widerspiegelte. Damit meine Hände etwas zu tun hatten, nahm ich den Löffel in die Hand und fing an, den klebrigen Nachtisch zu essen.
    »Das mag ja sein«, urteilte Grant über Pascal. »Aber es ist trotzdem keine wahre Glaubensdefinition.«
    »Ist mir egal, welche Definition
Sie
gebrauchen«, erwiderte Ryman. »Hauptsache, wir verstehen einander. Das heißt, ich begehe keine Sünden im theologischen Sinne, und Sie erweisen den fundamentalen Prinzipien der Wissenschaft den gebührenden Respekt - einen Respekt, den Sie heute Morgen in der Kirche nicht gerade an den Tag gelegt haben, wenn ich das so sagen darf.«
    Vielleicht hatte ich mit der Annahme falsch gelegen, dass die beiden nun etwas besser miteinander auskamen, denn als er das hörte, warf Grant die Serviette hin und verließ sofort das Zimmer. Ich dachte, er ginge nach Hause, aber kurz darauf hörte ich oben den Spülkasten.
    »Nicht spülen!«, brüllte Ryman mit beiden Händen am Mund in Richtung Treppe.
    »Wenn er wiederkommt, entschuldigst du dich bei ihm!«, zischte seine Frau ihm zu.
    Ryman zuckte mit den Schultern. In

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