Die Geometrie der Wolken
ihn meinen Buchenspaziergang.«
Ein steifer Wind blies uns ins Gesicht, als wir bei dem Buchenwäldchen angekommen waren - das das Feld vom Forst trennte.
»Weiter drinnen gibt es einen kleinen Bach mit einer Brücke«, sagte Ryman. Er führte mich zu einer Lichtung, und wie angekündigt verlief dort ein Bach, über den eine alte Holzbrücke ging. »Mackellars Vater hat sie gebaut«, erklärte Ryman, als wir auf den wippenden Planken standen. »Man kann hier gut Strudel beobachten.«
Wir sahen nach unten ins fließende Wasser und betrachteten die kurzlebigen Wellen und Umwege, die es um Steine und vermooste Äste bildete. Ein Stichling schoss vor unseren Augen vorbei. »Direkt aus Gottes Hand«, sagte der Prophet. »Kommen Sie mit.«
Zurück auf dem Feld, genoss ich die Aussicht - mit einigem Bedauern, denn die Lichtung mit der Brücke schien mir ein besonderer Ort. Die Stahlrutsche zum Transport der Baumstämme verlief an einer Seite des Felds hinunter zur Uferstraße; an der anderen Seite waren eine Hecke und der Bach. Mitten durchs Feld ging eine Trockenmauer, die Mackellars Besitz von dem der Rymans trennte. In einer Ecke hatte sich das dunkle Vieh versammelt: eine Zusammenkunft der Hörner. Und hinter allem waren die welligen Hügel von Cowal zu sehen, zwischen denen hier und dort ein Loch aufschimmerte. Es war, als stünden wir auf einem Archipel.
Während er den Cracker hinter sich herflattern ließ, murmelte Ryman bescheiden: »Ich habe die erfunden, wissen Sie?«
Er erklärte mir, wie er den Cracker entwickelt hatte, bei dem ein Höhenmesser eine kleine Sprengladung auslöst, um dem Beobachter mitzuteilen, dass der Ballon eine bestimmte Höhe erreicht hat.
Auch die Lizard war von Ryman, eine einfachere Version des Ballons, bei der der untere Teil in einen Chiffonschlauch eingefasst ist. Mit diesem Gürtel kann der Ballon sich nur vertikal ausdehnen - bis er einen Schalter berührt, der den Schwanz fallen lässt, wieder als Signal.
»Der Name Lizard spielt auf das Verhalten mancher Eidechsen an, ihren Schwanz abzuwerfen, wenn sie angegriffen werden«, erklärte Ryman.
»Geckos«, sagte ich. Ich erinnerte mich lebhaft an sie, wie sie in Nyasaland auf Insektenjagd die Wände hinaufsprinteten.
»Ja, wahrscheinlich hätten wir sie so nennen sollen«, erwiderte er.
Wir arbeiteten ein, zwei Minuten still weiter. Die Sonne war herausgekommen und ließ die Stahlrutsche der Forstarbeiter glitzern. Ich bemerkte das Geräusch des Windes, der zwischen den Blättern der Buchen hindurch und - ein anderes Geräusch - über das Gras von Mackellars Weide ging. Auch das Gras schimmerte leicht, als wäre jeder Halm einzeln von einem emsigen Arbeiter poliert worden.
»Ich vermisse das alles«, sagte Ryman, während wir die Ballons weiter vorbereiteten. »Aber heute ist mein Leben der relativen Häufigkeit von Kriegen und ihrer Vermeidung gewidmet.« Er lachte. »Das ist meine Kriegsanstrengung. Ergebenheit fördern. Wie Gandhi.«
Gandhi war zweifellos bewundernswert, aber als Programm hörte sich Rymans sogenannte Kriegsanstrengung viel zu verweichlicht an, um gestandene Männer zu überzeugen. Und auch ziemlich selbstgefällig. Aber das konnte ich ihm natürlich nicht sagen. »Sie sagen also, wir sollten uns Hitler ergeben?«, fragte ich stattdessen.
»Es ist nichts Persönliches. Hitler, Churchill, Roosevelt, Stalin. Alles dasselbe System. Wir sind Teil eines einzigen selbstzerstörerischen Systems.«
»Da muss ich Ihnen leider widersprechen.«
Er seufzte. »Das tun die meisten.«
»Ohne die Männer, Bomber und Jäger der Air Force, ohne die alliierten Kriegsanstrengungen allgemein, würden wir heute zu Hitlers Reich gehören.«
»Die Bomber und Jäger sind Teil des Problems. Wenn Deutschland in den Dreißigern nicht als Gegengewicht zu unserer Seeüberlegenheit die Luftwaffe aufgebaut hätte, hätte es diesen Krieg nie gegeben. Es hätte überhaupt nicht aufgerüstet werden dürfen. Aus ähnlichen Gründen habe ich einen Tresor in meinem Büro, mit dem ich meine aktuellen Manuskripte vor Feuer schütze, aber die Tür lasse ich unverschlossen, damit etwaige Einbrecher keinen Sprengstoff einsetzen.«
»Sie könnten sie aber trotzdem stehlen«, erwiderte ich mit Bauchschmerzen bei dem Gedanken an die Patronenhülsen, die ich hatte fallen lassen. »Stellen Sie sich doch einmal vor, Großbritannien hätte 1935 schon unsere Streitkräfte auf die heutige Größe gebracht. Hätten wir damals aufgerüstet, hätten
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