Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Geometrie der Wolken

Die Geometrie der Wolken

Titel: Die Geometrie der Wolken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Foden
Vom Netzwerk:
Die Baumwipfel hatten die horizontale Bewegung gebremst, vorübergehende Turbulenz erzeugt und stärkere Aufwärtsströmungen verursacht.
    Ryman drückte es eleganter aus, als ich es je gekonnt hätte. »Man könnte die Kaltluft mit einem Stemmeisen vergleichen, das man flach am Tisch anlegt und dann vorwärtsschiebt, sodass es vorne mit der scharfen Kante die Warmluft abhobelt. Die Regenmenge passt zu dieser Erklärung. Außerdem habe ich dieses Phänomen bereits beobachtet.«
    Wir setzten uns wieder an den Tisch. Ich konnte Gill abwaschen hören. »Über diesem Höhenrücken schon oft«, setzte ihr Mann fort. »Und auch einmal in Frankreich. 1917 zwischen Nancy und Beifort.«
    Er erschauderte kurz und gab mir dann die Zeichnung, die er vorher angefertigt hatte. Es war eine grobe Skizze der Szene, die wir eben beobachtet hatten. »Diese Böenfront könnte hier oben das Land überqueren und dann an der Ostküste entlang bis Dienstag im Kanal sein. Ein richtiger Sturm.«
    »Aber im Moment ist am Kanal schönes Wetter.« Ich hatte mir zufällig in der Woche ein paar Wetterkarten angesehen.
    »Das macht keinen Unterschied. Die Umstände können sich sehr schnell ändern, was selbst Meteorologen oft vergessen. Ich habe es damals in Frankreich selbst vergessen, als ich
Wettervorhersage durch Numerische Verfahren
schrieb, weshalb es in dem Buch einen großen Fehler gibt.«
    Er hielt einen Moment lang inne und sah mich mit suchenden grauen Augen an. »Und nun sagen Sie mir, Meadows, warum hat das Met Office eine Wetterstation vor meiner Haustür eingerichtet?«
    Ich bekam Panik. »Wissen Sie, ganz ehrlich, Sir, ich weiß es selbst nicht so genau«, sagte ich so ruhig, wie ich konnte. »Man geht eben dahin, wohin man geschickt wird.«
    Das war eine absolut unbefriedigende Antwort. Jeder, der ein bisschen von Meteorologie verstand, wusste, dass Mackellars Weide ein völlig ungeeigneter Platz für eine Wetterstation war, so klein sie auch sein mochte. Ich fragte mich, ob er mich bereits verdächtigte. Er musste es eigentlich.
    Ryman leerte sein Glas Wasser und stellte es kraftvoll wieder ab. »Kommen Sie, es hat aufgehört zu regnen.« Er starrte kurz aus dem Fenster. »Gehen wir spazieren.«
     

14.
    Hinter dem Haus lagen ein Tennisplatz und der große Gemüsegarten, den ich schon gesehen hatte. Ryman brachte die Gartenarbeit sichtlich Spaß, denn er bestand darauf, mir nicht nur jedes Beet, sondern sogar einige einzelne Pflanzen zu zeigen. Dann lud er mich ein, einen Destillierapparat zu bewundern, der mit Sonnenenergie Meerwasser verdunstete.
    Wir gingen weiter aufwärts durch das nasse Feld in Richtung meiner Kate. Er fragte mich, ob ich auch Cracker oder Lizards dahatte, zwei ältere Sorten von Wetterballons, die von Meteorologen eingesetzt wurden. Ich sagte ja, falls die moderneren Ballons sich verhedderten oder bei der Funkübertragung etwas fehlschlug. Ryman bat mich, einen Cracker und eine Lizard zu holen, damit wir sehen konnten, wie der Wind sich in verschiedenen Höhen verhielt: Wenn man eine horizontale Windbewegung beobachtet, ist es praktisch, einen mittleren Wind zu definieren, dessen Geschwindigkeit nur mit der Höhe variiert.
    »Ganz wie früher.« Seine Stimme klang sehnsüchtig, als würde er trotz seiner gegenteiligen Beteuerungen die Zeit vermissen, als seine Leidenschaft die handfeste Meteorologie war und nicht das unklarere, wenn auch hehre Feld der Friedensforschung.
    Er folgte mir ins Haus und sah sich die meteorologische Ausrüstung an, während ich die Ballons mit Wasserstoff füllte, den ich nach dem Rezept von Gwen und Joan hergestellt hatte. Die vollen Aschenbecher und leeren Bierflaschen, der verwahrloste Zustand meiner Unterkunft waren mir peinlich, aber Ryman schien sich nur für die Geräte zu interessieren.
    »Es stört Sie doch nicht, wenn ich mich etwas umsehe?«, fragte er. Ich schüttelte den Kopf. Während er herumstöberte, füllte ich weiter die Ballons. Ich wollte nichts falsch machen. Ich hatte mich für einen Tag genug blamiert.
    Wir trugen die Ballons nach draußen. Sie passten gerade eben durch die Tür. Wie zwei kleine Kinder zogen wir sie hinter uns her, während wir das Feld hinauf auf die Buchen zugingen. Dahinter, oben auf dem Kamm, ragten die Fichten des Forstes in die Höhe, ihre schwarzen Stämme wie Soldaten, die sich auf den Marsch nach unten zum Angriff auf die Eindringlinge des Buchenwäldchens vorbereiteten.
    »Ich gehe diesen Weg oft«, sagte Ryman. »Gill nennt

Weitere Kostenlose Bücher