Die gepluenderte Republik
bekannt, dass der Bund eine deutliche Aktienmehrheit von mehr als 50 Prozent bei der HRE anstrebt, um sich die Kontrolle zu sichern.
11. Februar 2009:
Der SoFFin stockt Garantien für die HRE um zehn Milliarden auf nun 52 Milliarden Euro auf.
18. Februar 2009:
Es sickert durch, dass die HRE Kredit- und Derivatgeschäfte in Höhe von einer Billion Euro abgeschlossen hat. Öffentlich bekannt war bisher allerdings nur die Bilanzsumme in Höhe von 400 Milliarden Euro.
18. Februar 2009:
Die Bundesregierung billigt ein Gesetz, das die Verstaatlichung maroder Banken als letzte Option vorsieht. Das »Rettungsübernahmegesetz« ist auf die Rettung der HRE zugeschnitten. Es sieht notfalls auch eine Enteignung vor. Die Hilfen an die HRE belaufen sich inzwischen auf 102 Milliarden Euro.
20. März 2009:
Der Bundestag billigt das umstrittene Gesetz.
28. März 2009:
Der Bund steigt bei der HRE ein. Über eine Kapitalerhöhung erwirbt er zunächst 8,7 Prozent der Anteile.
7. Mai 2009:
Der Bund sichert sich durch ein Übernahmeangebot an die Aktionäre 47,31 Prozent der Anteile an der HRE. Sieerhalten 1,39 Euro je Aktie. Der New Yorker Großaktionär J.C. Flowers nimmt die Offerte nicht an.
2. Juni 2009:
Die Hauptversammlung in München beschließt eine Kapitalerhöhung, durch die der Bund seinen Anteil auf mehr als 90 Prozent erhöhen und die verbleibenden Aktionäre herausdrängen kann.
8. Juni 2009:
Vor dem HRE-Untersuchungsausschuss erklärte die Leiterin Bankenaufsicht der BaFin, Sabine Lautenschläger-Peiter, dass die Regierung bei der Rettung der HRE im September 2008 auf eine Bewertung der Werthaltigkeit – auch »Due Diligence« genannt – verzichtet habe.
8. Juni 2009:
Der CSU-Abgeordnete Thomas Silberhorn fordert, die ehemaligen Vorstände der Krisenbank auf Schadensersatz zu verklagen. Die Manager hätten grob fahrlässig gehandelt und gehörten bestraft.
23. Juni 2009:
Bei der Hypo Real Estate und dem SoFFin gibt es erstmals verlässliche Schätzungen, was die Rettung der Skandalbank die Steuerzahler kostet. Insgesamt 10,4 Milliarden Euro sollen es nach vorläufigen Zahlen sein: 3,3 Milliarden für die Übernahme der HRE durch den Bund, 2,0 Milliarden für eine zusätzliche Kapitalaufstockung und 5,1 Milliarden Euro Verlustausgleich für einen längeren Zeitraum – dies natürlich zusätzlich zu jenen 102 Milliarden Euro. Weitere Belastungen werden von der Politik nicht ausgeschlossen: Die HRE meldet hohe Abschreibungen bei Immobilienkrediten. Vor allem in Großbritannien, Südeuropa und Nordamerika, aber auch in Deutschland habe sich die Lage verschlechtert.
1. Juli 2009:
Die HRE rechnet bis Ende 2010 noch einmal mit Verlusten von mehr als zwei Milliarden Euro.
5. Juli 2009:
Der Münchner »Geldwegmachkonzern« (
Welt
) beauftragt Werbeagenturen mit der Entwicklung eines neues Firmenlogos. »Wieso das?«, fragt André Mielke in der
Welt
. »Die HRE ist doch eine der stärksten deutschen Marken. Nochvor einem Jahr kannten ihren Namen nur Insider. Viele glaubten, es handele sich um eine spanische Reitershow oder ein Heim für eingebildete Kranke.« 51
4. Oktober 2009:
Als Ergebnis der Jahreshauptversammlung ist die HRE nun komplett verstaatlicht. Die verbliebenen Kleinaktionäre erhalten 1,30 Euro Entschädigung pro Aktie.
Politik ist nur der Spielraum, den die Wirtschaft ihr lässt.
Dieter Hildebrandt
Kaum eine Unverschämtheit, kaum ein Fettnäpfchen wird ausgelassen, und immer deutlicher tritt die Haltung vieler Politiker und Wirtschaftskapitäne zutage: »Mit dem verblödeten Volk können wir es ja machen.«
Gar nicht auszudenken, was man mit 100 Milliarden an Sinnvollem anstellen könnte! Zum Beispiel 20 Jahre lang 100 000 Lehrer bezahlen.
Eine derartige Mentalität des blindwütigen Zockens und der unverfrorenen Plünderung des Staatsvermögens gedeiht natürlich nur, wenn die Beteiligten sich der Straffreiheit sicher sind. In den USA landen solche Leute im Gefängnis, bei uns in den Talkshows oder schlimmstenfalls im millionenschweren Altenteil. Man stelle sich aber nur einmal vor, man würde den Ladendiebstahl für legal erklären: Was da wohl in den Supermärkten los wäre …
Eine besonders dreiste Rechtfertigung für diese Lizenz zur – im besten Falle – Unverantwortlichkeit ist das neue Modewort
systemrelevant
.
Die Nebelkerze »systemrelevant«
Am 7. Oktober 2008 war es die Topmeldung: »EU verbürgt sich für ›systemrelevante‹ Banken.« 52 Was aber bedeutet jenes Zauberwort,
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