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Die geprügelte Generation

Die geprügelte Generation

Titel: Die geprügelte Generation Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Müller-Münch
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Männchen, das einem nichts mehr anhaben kann.«
    Ausgerechnet der »missratene« Sohn ist erfolgreich
    Sein Erfolg ermöglichte es Tilman Röhrig, diesem übermächtigen Vater ab einem bestimmten Zeitpunkt standzuhalten. Sich ihm zu widersetzen. Ihm die eigene Ohnmacht zu demonstrieren. »Zu der Zeit wurden Jugendliche erst mit 21 volljährig. Doch in dem Alter hatte ich längst die Welt für mich entdeckt. Dennoch benötigte ich immer wieder die Unterschrift meines Vaters für irgendein amtliches Dokument. Um an diese Unterschrift zu kommen, setzte ich meinen Vater unter Druck. Das hatte ich ja von ihm sehr gut gelernt. Ich verlangte von ihm, alles, wozu ich seine Unterschrift brauche, zu unterschreiben. Hatte ihm gedroht, das war so der Tiefpunkt in unserer Beziehung, wenn du dich noch ein einziges Mal in mein Leben einmischst, werde ich mich in deiner Kirche vor dem Altar umbringen. Mit einem Zettel in der Hand, aus dem hervorgehen wird, dass ich es deinetwegen getan habe. Die Antwort meines Vaters war, das kannst du mir und deinen Geschwistern doch nicht antun. Ich antwortete nur: und ob! Da wusste er, dass ich das auch getan hätte. Von da an war Funkstille zwischen uns. Schweigen. Doch wann immer ich eine Unterschrift benötigte, schickte ich das Dokument meinem Vater und bekam es postwendend unterschrieben zurück. Das war der einzige Kontakt, den wir beide über viele Jahre lang miteinander hatten.«
    Tilman Röhrig verdankt alles das, was er heute darstellt – seine erfolgreichen Jahre als Schauspieler, seine spätere, anhaltende Karriere als Schriftsteller – nicht nur seinem künstlerischen Talent, sondern vor allem seinem eigenen Durchsetzungsvermögen, der eigenen Kraft. Sein Vater hat hierzu nichts beigesteuert. »Wobei mein Vater es auch gut gehabt hat. Er brauchte keinen Pfennig für meine Schauspielausbildung zu zahlen. Die Schauspielschule, den Lebensunterhalt, alles habe ich selbst finanziert. Von zu Hause kam keine müde Mark.«
    Als dann 1968 der große Umbruch kam, die Eltern in ihrerSelbstherrlichkeit plötzlich infrage gestellt wurden, hatte sich Röhrig schon gänzlich von seinem Zuhause gelöst, hatte schon seit fast sechs Jahren ein Engagement am Schauspielhaus Köln. »Mir ging es wunderbar. Diese 68er-Zeit hab ich als politisch eigenverantwortlicher Mensch ohne Vaterballast, wenn man so will, erlebt und auch mitgemacht.«
    Damals bekam er nach einer Aufführung eines Tages eine Karte in die Garderobe gereicht, auf der stand, »mein Vater sei mit Freunden im Theater und habe sich die Vorstellung angesehen. Mein Vater, mit dem ich seit meinem Weggang von zuhause jahrelang nicht mehr gesprochen hatte! Und nun kam diese Karte, auf der stand, ob er mich nachher zu einem Bier einladen dürfe.«
    Nun gut, sagte sich Tilman Röhrig in dieser überraschenden Situation. Es war ja viel Zeit vergangen. Also traf er sich mit dem Vater und dessen Freunden. »Die fanden mich sehr gut in dieser Rolle, die ich gespielt hatte, lobten meinen Vater und auch meine Stiefmutter ständig dafür, was sie doch für einen tollen Sohn hätten. Mein Vater lächelte dazu. Irgendwann sagte er, ich bin auch froh, dass ich meinem Sohn diesen Weg ermöglicht habe. Dabei guckte er mich so flehentlich an, dass ich zu ihm sagte, ja Vati. Damit war alles gesagt, und es war alles auch vorbei. So an Ballast. In dem Moment war ich so stark, dass ich dachte, ich brauche sein Haus nicht mehr zu zerstören, um selbst leben zu können. Und nachher, als er in den Wagen stieg und wir einen kurzen Moment allein waren, sagte er nur: Danke. Und ist weggefahren.«
    An einer Aufarbeitung war Tilman Röhrig nie interessiert
    Dabei blieb es zunächst. Röhrig lebte sein Leben. Nur langsam begannen zaghafte Kontakte zwischen ihm, dem Vater und seiner Stiefmutter. Viel später versuchten seine Geschwister in tränenreichen diskussionsschweren Wochenenden ihre Jugend mit dem alten Vater und der alten Stiefmutter aufzuarbeiten. Tilman Röhrig nahm daran nie teil. Besuchte seine Eltern nur etwa ein- biszweimal im Jahr. Bei einer dieser Gelegenheiten bot der Vater dem Sohn an, doch mal mit ihm über Tilmans Kindheit zu reden. »Weil ich ja nun der einzige sei, mit dem sie das noch nicht getan hätten. Ich habe ihn angeguckt und gesagt, weißt du, wenn ich jetzt mit dir darüber spreche, werde ich dein gesamtes Seelenhaus zerstören. Du hast also die Wahl: Entweder führen wir solch ein Gespräch oder wir unterhalten uns über die Exegese der

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