Die geraubte Braut
unmerkliches Lächeln seinen Mund umspielte.
»Vom König? Nein, Juno, trag es wieder fort. Es ist ganz angesabbert.« Portia griff nach dem Stöckchen, das der Hund ihr in den Schoß gelegt hatte und ließ es angeekelt ins Gras fallen.
»Vom König«, bestätigte er noch immer lächelnd und ohne die Augen zu öffnen.
»Soll ich raten? Hier, Juno, nimm das da!« Sie schleuderte einen Tannenzapfen, und der Hund jagte wie ein abgeschossener Pfeil hinterher.
»Nein, und wenn du aufhörst, mit dem Köter zu spielen, und mir deine Aufmerksamkeit ungeteilt schenkst, erzähle ich dir alles.«
»Ach, entschuldige.« Sie beugte sich zur Seite und gab ihm einen reuigen Kuss auf den Mundwinkel. »Ich bin ganz Ohr.«
»In seiner unendlichen Weisheit erkennt der König die Dienste seines loyalen Untertanen an, indem er dem Haus Rothbury vollen Pardon gewährt und ihm seine angestammten Besitzungen samt allen Einkünften wieder überträgt.« Er schlug die Augen auf, und Portia las darin jubilierende Freude, unaussprechliche Genugtuung und etwas, das ihr einen Schauer über den Rücken jagte – jenen Triumph, den der Sieger nach der vollständigen Demütigung des Feindes erlebt, wenn er dem am Boden Liegenden den Fuß auf den Nacken stellt.
Juno kam wieder, knurrend und den Zapfen schüttelnd, doch sie spürte, dass da etwas in der Luft lag. Deshalb spuckte sie Portia nur den Zapfen vor die Füße und platzierte sich vorsichtig an ihre Seite, nicht ohne sie aufmerksamst im Blick zu behalten.
»Das ist nicht alles«, stellte Portia fest. »Was noch?«
Ach bekam Befehl, Castle Granville zu belagern«, fuhr Rufus fort. »Nach unserer Niederlage im April ist die Rebellenarmee im Norden uns zahlenmäßig weit überlegen. Wenn wir aber Granville ausschalten und ihn daran hindern, seine Miliz in den Sommerfeldzug zu schicken, steigen unsere Chancen beträchtlich.« Seine Hand glitt unwillkürlich zum Schwertgürtel, und seine Finger umspielten den schlichten Griff seines großen, geschwungenen Schwertes.
»Und wer wäre geeigneter für die Aufgabe, den Marquis und seine Festung in die Knie zu zwingen, als sein Nachbar und erbitterter Feind, der Earl of Rothbury, des Königs ergebenster Untertan?«
Der Schauer des Unbehagens steigerte sich. Seine triumphierenden Worte waren ätzend, und Portia dämmerte, dass Rufus Decaturs Königstreue sich nicht auf Prinzipien gründete und er in diesem Konflikt nur zu seinem eigenen Vorteil Stellung bezogen hatte. Sie wusste, dass dies auf Cato nicht zutraf. Dieser hatte sich aus Überzeugung für die Sache des Parlaments entschieden. Machte dies aus Cato einen besseren, einen ehrenhafteren Menschen?
Es war eine Frage, auf die Portia keine Antwort wollte. Sie wusste, dass die Armeen des Königs nach der schweren Niederlage bei Selby im April in große Bedrängnis geraten waren. Dass man jetzt bestrebt war, Cato und seine Streitmacht auszuschalten, war der logische nächste Schritt. »Wann soll die Belagerung beginnen?«
»Wir brechen mit der Nacht auf.« Er stand in einer einzigen geschmeidigen Bewegung auf und reichte Portia die Hand, um sie hochzuziehen. »Wenn Cato am Morgen erwacht, werden wir schon vor den Toren seiner Burg in Stellung liegen. Geh jetzt und packe deine Sachen.«
»Ich soll mitkommen?«
Er kniff die Augen zusammen, deren Farbe sich zu Mitternachtsblau verdunkelte. »Du gehörst unserer Truppe an. jeder fähige Decatur-Kämpfer nimmt an der Belagerung teil. Sie wird sich hinziehen und eintönig verlaufen, doch habe ich die Absicht, Cato vor Ende des Sommers in die Knie zu zwingen, wenn nötig, mit allen Mitteln.« Sein Blick tastete ihr Gesicht ab. »Fällt es dir schwer, Portia?« fragte er leise.
Sie wusste, dass ihm ihr unmerkliches Zögern nicht entging. »Nein«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
Er fuhr fort, sie zu mustern, so eindringlich, als könne er ihre Gedanken lesen, und sagte dann: »Ich nehme an, dass Granville sich auf eine Belagerung gut vorbereitet hat. Ist meine Annahme richtig?«
»Ja«, sagte sie leise. »Er hat große Getreidevorräte angelegt, seine Gewölbe sind bis oben angefüllt. Ich sah, wie alle nötigen Vorkehrungen getroffen wurden.«
Rufus' Miene blieb unverändert. »Aber etwas hat er nicht in unbegrenztem Maße. Etwas, ohne das er und seine Leute nicht leben können. Weißt du, was es ist, Portia?«
Sie überlegte. Ihr Eindruck von Castle Granville war der eines uneinnehmbaren Bollwerks unter fähiger Führung. Nichts blieb
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