Die geraubte Braut
durchschnitt den Aufruhr. »Hier geht es zu wie im Irrenhaus.«
»Sie glauben, dass sie mitkommen«, sagte Portia. »Das stimmt doch nicht, oder?«
»Ich kann sie nicht zurücklassen. Es ist niemand da, der sich um sie kümmern könnte«, sagte Rufus, das Getöse übertönend. »Ruhe!«
Seiner gebrüllten Aufforderung folgte augenblicklich Stille. Ohne eine Spur von Erschrecken hielten die Kinder inne und schauten ihren Vater fragend an.
»Du kannst die Kinder nicht zu einer Belagerung mitnehmen«, widersprach Portia. »Das wäre zu gefährlich.«
Rufus fuhr sich zerstreut durchs Haar. »Jeder fähige Mann kommt mit. Du willst mir doch nicht raten, ich solle sie in der Obhut der Kranken und Siechen zurücklassen?«
Ein absurder Gedanke. »Nein, natürlich nicht. Aber es muss jemanden anderen geben. Was ist mit den Frauen in Miss Beldams Haus?«
»Ich werde die Kinder doch nicht in einem Bordell unter bringen.«
»Es ist nicht unpassender als ein Militärlager«, wandte Portia ein.
»Was ist ein Bordell?« fragte Toby.
»Ein Haus, in dem nur Frauen wohnen«, antwortete Portia.
»Dort wollen wir nicht hin«, äußerte Luke angewidert.
»Nein, dorthin nicht«, stimmte Toby naserümpfend zu. »Ich muss jetzt meine Soldaten suchen!« Mit frischer Kraft stürzte er sich wieder in die Suche.
Rufus stand mit ungehaltener Miene da, als der Lärmpegel wieder anstieg. »Sie müssen mit«, sagte er schließlich. »Es ist ja nicht so, als ob uns eine offene Schlacht bevorstünde.«
»Es ist deine Entscheidung.« Portia ging zur Treppe. »Du bist ihr Vater.«
»Aber ich weiß deine Meinung zu schätzen.« Rufus folgte ihr und ließ den Lärm hinter sich.
»Dann erkläre mir folgendes: Du bist jetzt der Earl of Rothbury und kein Geächteter und Wegelagerer mehr. Du erhältst deine Güter zurück. Du wirst dein Haus wieder aufbauen und die dir gebührende Position in der Gesellschaft einnehmen. Wie sollen sich deine Söhne in diese Ordnung einfügen?«
Rufus wurde klar, dass er im Verlauf seiner sorgfältigen, eiskalten Planung und nun in der Hochstimmung des Triumphes diesen Fragen keine Beachtung geschenkt hatte, so wie er sich auch nicht überlegt hatte, wie er selbst in diese Gesellschaft passen würde. Er hätte sie mit acht Jahren verlassen, ihre Sitten und Gepflogenheiten waren ihm fremd geworden.
»Ich weiß nicht«, antwortete er ehrlich. »Soweit voraus habe ich nicht gedacht.« Mit einer Aufwallung von Abwehr und Ungeduld setzte er hinzu: »Portia, ich weiß es erst seit heute Morgen. Und wir stecken mitten in einem Krieg. Ich habe andere Dinge im Kopf«
»Ja, natürlich.« Portia wandte sich wieder ihren Sachen auf dem Bett zu. »Ich werde dafür sorgen, dass unsere und die Sachen der Kinder gepackt werden. Sicher wirst du anderswo gebraucht.«
Rufus zögerte, überrascht von ihrem Ton. Er hatte das Gefühl, dass etwas unausgesprochen blieb, dass Portia auf irgendetwas hinauswollte und es ihm entgangen war. »Ich sehe wirklich keine andere Möglichkeit, als die Kinder mitzunehmen«, sagte er, den Ausgangspunkt der Debatte aufgreifend.
»Nein, vermutlich nicht«, sagte Portia. »So genau bedachte ich das nicht. Außerdem wird sich für sie nicht viel ändern.«
»Nur, dass sie in einem Zelt hausen werden.«
»Nun, das dürfte ihnen zusagen.« Sie warf ihm ein Lächeln über die Schulter zu, während sie dasselbe Hemd immer wieder zusammenlegte und ausbreitete. »Am besten, du machst dich wieder an deine Arbeit.«
»Ja …« Nach kurzem Zögern eilte er mit einem ratlosen Achselzucken hinaus, von den Stimmen seiner Söhne bis vor die Tür verfolgt.
Portia saß auf dem Bett und hielt das Hemd selbstvergessen in Händen. Ihr wurde klar, dass es ihr bei ihrer Frage um sich selbst gegangen war. Welchen Platz würde es für sie im wiederhergestellten Hausstand des Earl of Rothbury geben? Sie gehörte ins Armeelager, ins Leben des- Geächteten genauso wie Toby und Luke. Und was, wenn sie ein Kind unter dem Herzen trug? Einen weiteren illegitimen Spross Rufus Decaturs.
»Portia … Portia … wir brauchen dich!« Lukes Kopf tauchte am oberen Treppenende auf, seine Augen, denen seines Vaters so ähnlich, funkelten vor Erregung. »Ich kann mein grünes Hemd nicht finden. Es ist mein liebstes.«
Das Hemd war als Folge einer intensiven Begegnung mit einem Dornbusch in Fetzen. Rufus, dem es zufällig aufgefallen war, hatte es in der Hoffnung versteckt, es würde, unsichtbar geworden, in Vergessenheit
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