Die Gerechten
könnten einen Blick in Baxters Krankenakte werfen?«
Russell hielt ihm einen kurzen Vortrag über das Arztgeheimnis, aber dann gab er nach. Sie kehrten in sein Büro zurück, und er holte die Akte auf seinen Monitor.
»Wonach suchen wir?«
»Vielleicht das Datum, an dem Baxters Niere entfernt wurde.«
Russell schwieg und ließ die medizinischen Daten über den Bildschirm scrollen. Schließlich drehte er sich um. »Das ist merkwürdig. Es gibt keine Unterlagen über eine Nierenoperation.«
Will richtete sich auf. Er dachte an die Instruktionen, die Beth ihm gegeben hatte. »Auch nichts über frühere Nierenprobleme? Irgendwelche Erkrankungen? Nierenversagen, Dialyse? Irgendwas?«
Jetzt dauerte die Pause noch länger. Leise Verblüffung lag in Russells Stimme, als er schließlich antwortete. »Nein.«
Will spürte, dass er und der Arzt jetzt etwas gemeinsam hatten: Sie waren gleichermaßen verdutzt: »Gibt es überhaupt irgendwelche medizinischen Aufzeichnungen?«
»Probleme mit dem Knöchel im Zusammenhang mit einer Kriegsverletzung. Vietnam wahrscheinlich. Davon abgesehen – nichts. Ich hatte einfach angenommen, er sei ein Nierenpatient gewesen, dem eine Niere entfernt worden ist. Sein Krankenbericht scheint mir vollständig zu sein. Aber über eine Niere steht kein Wort darin. Ich muss zugeben, ich bin überrascht.«
Es klopfte leise an der Tür, und eine Frau kam herein – die Pressesprecherin des gerichtsmedizinischen Labors, sagte Russell.
»Verzeihen Sie die Störung, Dr. Russell, aber wir kriegen massenhaft Anrufe wegen der Sache Baxter. Anscheinend hat ein Bekannter des Toten heute mit einem Rundfunksender gesprochen und gesagt, er glaube, Mr. Baxter sei einer Art Leichenräuber-Verschwörung zum Opfer gefallen.«
Bob Hill, dachte Will. Also keine Exklusivstory.
Russell zog die Stirn kraus. »Ich bin gleich da.«
Will wartete, bis die Tür sich wieder geschlossen hatte, bevor er Russell fragte, was er der Presse sagen werde. »Tja, die einfachste Erklärung – dass Baxter chronisch nierenkrank war – können wir jetzt nicht mehr abgeben.« Das lag an Will. Er wusste zu viel. »Wir werden uns was überlegen. Ich bringe Sie hinaus.«
Will wollte gerade losfahren, als jemand ans Wagenfenster klopfte. Es war Russell, atemlos und immer noch in Hemdsärmeln.
»Ich hab hier einen Anruf. Sie will mit Ihnen sprechen.« Er reichte sein Handy durch das Fenster.
»Mr. Monroe? Mein Name ist Genevieve Huntley. Ich bin Chirurgin im Swedish Medical Center in Seattle. Ich habe den Bericht über Mr. Baxter in den Nachrichten gesehen, und Allan hat mir gerade erzählt, was Sie darüber wissen. Ich glaube, wir müssen uns unterhalten.«
»Gern.« Will suchte nach seinem Notizbuch.
»Ich brauche ein paar Zusicherungen von Ihnen, Mr. Monroe. Ich vertraue der New York Times, und ich hoffe, dieses Vertrauen wird erwidert. Ich habe geschworen, für mich zu behalten, was ich Ihnen erzählen werde. Ich erzähle es jetzt nur, weil ich fürchte, dass es schlimmer sein könnte zu schweigen. Es darf nicht passieren, dass sich Leute hier verrückt machen wegen eines angeblichen Organdiebstahlsrings.«
»Ich verstehe.«
»Das glaube ich nicht. Ich bin nicht sicher, ob es irgendjemand von uns versteht. Ich bitte Sie nur darum, dass Sie das, was ich zu sagen habe, mit Ehrfurcht, Würde und Respekt behandeln. Denn das verdient die Sache. Drücke ich mich klar aus?«
»Ja.« Will war sehr gespannt, was er jetzt hören würde.
»Okay. Mr. Baxters wichtigstes Anliegen war Anonymität. Nichts anderes hat er erbeten für das, was er getan hat.«
Will schwieg.
»Mr. Baxter kam vor ungefähr zwei Jahren zum Swedish Medical. Er hatte einen weiten Weg hinter sich, wie wir später erfuhren. Als er auftauchte, nahmen die Schwestern an, er sei ein Fall für die Notaufnahme; er sah aus wie ein Landstreicher. Aber er sagte, er sei kerngesund, er wolle nur mit einem Arzt in unserer Transplantationsabteilung sprechen. Er wolle eine Niere spenden.
Wir fragten als Erstes, wem er die Niere spenden wolle. Ging es um ein krankes Kind? Oder um ein Familienmitglied, das eine Niere benötigte? Nein, sagte er, ich will meine Niere einfach jemandem geben, der sie braucht. Offen gesagt, meine Kollegen nahmen sofort an, dass ein psychisches Problem im Spiel sei. Solche ›unspezifischen‹ Angebote kommen praktisch niemals vor. Für uns war es auf jeden Fall das erste Mal.
Ich schickte Mr. Baxter weg. Ich sagte ihm, so etwas komme bei
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