Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)
Reden in die Schlachten mit den Helvetiern und den Germanen trieb. Er dachte groß von sich und konnte endlich auch Großes in dem Maße leisten, wie es ihm vorschwebte. Vor allem aber war er nun sein eigener Herr, jedenfalls verhielt er sich in den kommenden Jahren so. Er eroberte Landstriche, an denen dem imperialen Rom bis zu diesem Zeitpunkt wenig gelegen hatte, und unterwarf Stämme, die außer ihm eigentlich niemand dem Reich einverleiben wollte.
Dabei fällt an den Feldzügen in Gallien seit 58 vor Christus auf, dass die Bedingungen, unter denen der Prokonsul Gaius Cäsar operierte, und die Umsicht, die er an den Tag legte, den Zwängen verblüffend ähneln, mit denen sich Präsidenten oder Regierungschefs heutzutage herumschlagen, wenn sie Invasionsarmeen in ferne Ländern entsenden, sei es in den Irak, nach Afghanistan oder Mali. Auch sie tun gut daran, die Machtverhältnisse daheim im Blick zu behalten. Auch für sie empfiehlt es sich, dafür zu sorgen, dass der Krieg daheim nicht unpopulär wird. Auch sie müssen ihre Gegner unter Kontrolle halten und ihre Anhänger immer wieder für ihre Sache mobilisieren, wenn sie dort bleiben möchten, wo sie sind: im Mittelpunkt des Weltgeschehens, an der Macht.
Cäsar führte Krieg und behielt Rom im Blick. »Seine strategischen Entscheidungen hatten folglich vielfach einen innenpolitischen Aspekt. Und was er in Rom bewirkte, war oft Funktion seiner militärischen Lage. Vor allem war er in außerordentlichem Maße gegenwärtig in der Stadt«, schreibt Christian Meier in seiner Cäsar-Biografie. Der Prokonsul sandte Boten hin und her, die Informationen vom Kriegsgeschehen in Gallien nach Rom trugen und ihm von den neuesten Wendungen dort Bericht erstatteten. »Er schrieb unzählige Briefe, auf seinen Märschen in der Sänfte, im Lager. Dadurch war er ständig mit zahlreichen Römern – auch Römerinnen – in Verbindung, kannte ihre Nöte, bot Hilfen, großzügige Darlehen, sandte exotische Aufmerksamkeiten, knüpfte und befestigte vielerart Beziehungen. Übrigens verwandte er für besonders vertrauliche Mitteilungen eine Geheimschrift, in der die Buchstaben in bestimmter Weise vertauscht waren; sie war mit seinen Sekretären Oppius und Balbus verabredet«, erzählt Meier über die Herrschaftstechnik seines Protagonisten.
Bald nach Beginn des Jahres 58 holte Cäsar die Auszugs-Auspizien ein, legte das Kriegskleid an und ließ die Hörner zum Abmarsch aus Rom blasen. Indem er die Stadtgrenze überschritt, trat er das Prokonsulat förmlich an. Und dann blieb er erst einmal stehen. Das Zögern, das Abwarten, welche Ereignisse in Rom nach seinem Auszug eintreten mochten, stehen in krassem Gegensatz zu der alarmistischen Notwendigkeit, mit der Cäsar bald darauf seine Kriegszüge in Gallien umflort. In »De bello Gallico« verleiht er den Ereignissen die Aura historischer Zwangsläufigkeit. In Wirklichkeit aber führte er Kriege seiner Wahl zum eigenen Ruhm.
Was ein gerechter Krieg sein sollte, hat Cicero definiert: »Nur dann kann ein Krieg als gerecht gelten, wenn es sich darum handelt, Rache an den Feinden zu üben und diese abzuwehren; sonst nicht.« Nach Cicero ist ein gerechter Krieg ein aufgezwungener Krieg. Ihm geht ein feindseliger Akt, ein Verbrechen oder ein Überfall voraus. Cäsar rechtfertigt sein Vorgehen in Gallien dann auch so. Er gibt vor, dass er, der gewissenhafte Statthalter Roms, ohne eigenes Zutun in einen großen Krieg verwickelt worden sei. Anlass und Begründung leitet er aus Machtverschiebungen und ethnischen Unruhen ab, die er nicht verursacht hat. Er nutzt den enormen Vorteil, dass er nicht nur Prokonsul ist, sondern zugleich der Geschichtsschreiber der Expansion, die er im Auftrag und höheren Dienst des römischen Imperiums vornimmt, wie er behauptet.
Westlich der Alpen hatte Rom einen Amtsbezirk eingerichtet, Gallia Narbonensis im heutigen Südfrankreich. Er stand unter direkter Verwaltung und war zugleich Horch- und Vorposten gegenüber den anderen gallischen Stämmen, die Gemeinsamkeiten in der Sprache und Religion aufwiesen. Ihre Priester, die Druiden, trafen sich einmal im Jahr an geweihtem Ort. »Die politische und gesellschaft liche Ordnung war aristokratisch; das Machtgefüge anscheinend labil. Kriege zwischen den Stämmen und Bündnisse zwischen den Adligen verschiedener Stämme sorgten weithin für Unruhen«, fasst Meier die Ausgangslage bei Cäsars Prokonsulat zusammen. Das war der Binnendruck.
Für Außendruck sorgten
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