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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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zu vereinen. Doch Caepio kommt dieser Aufforderung des Maximus nur widerwillig nach. Zwar überqueren seine Truppen den Fluss, biwakieren aber weiter allein, näher am Feind. Caepio will den Schlachtenruhm für sich, greift an – und wird geschlagen. Dann überrennen die Germanen auch das Lager des Maximus. Es folgt eine totale Niederlage: Das gesamte römische Heer wird aufgerieben. Auch wenn die Zahl von 70000 Getöteten übertrieben scheint, bleibt von den Legionen kaum jemand übrig. Seit dem Desaster von Cannae gegen Hannibal 111 Jahre zuvor hatte es keine derartige Katastrophe mehr gegeben. Caepio flüchtet und überlässt seine Truppen dem Untergang. Ihm wird in Rom der Prozess gemacht; er verliert alle Ämter. Konsul Maximus, der seine beiden Söhne in der Schlacht verlor, muss sich ebenfalls vor Gericht verantworten.
    Nach dieser neuerlichen Schmach ist auch dem Letzten der Ernst der Lage klar. Es stehen kaum noch Legionen zwischen den Germanen und Rom. Ein entschlossener Vorstoß der Stämme könnte das Ende der Republik bedeuten. Konsul Rutilius Rufus verhängt sofort ein striktes Ausreiseverbot für alle wehrfähigen Männer. Der spätrepublikanische Historiker Sallust beschreibt die Angst vor den Germanen so: »Vor Furcht zitterte ganz Italien; damals waren die Römer der Meinung, dass alle anderen sich vor der römischen Tapferkeit beugten, mit ihnen aber ums Überleben gekämpft werde.«

    Zum Glück marschieren die Germanen nicht nach Rom. Vielmehr suchen sie auf getrennten Wegen neue Siedlungsgebiete. Während Teutonen und Ambronen in Gallien umherstreifen, durchqueren die Kimbern Südgallien und die Pyrenäen. Überall verbreiten sie Angst und Schrecken; sesshaft werden können sie nirgends. Allerorten sind die guten Siedlungsgebiete bewohnt, das Land vergeben. Ortsansässige Stämme verteidigen ihr Land eifersüchtig. Weder bei den Belgern im Norden Galliens noch bei den Keltiberern in Spanien sind die Wanderer gelitten; von der Gegend um Lutetia, dem heutigen Paris, ziehen sie wieder südwärts.
    Wer kann Rom wirklich schützen? Die Wahl fällt auf Gaius Marius. Der 52-Jährige stammt aus der Provinz, er soll Sohn armer Bauern gewesen sein. Als Vollblutsoldat hat Marius sich in Spanien bewährt. In Nordafrika erringt er seinen ersten großen Triumph: Als Konsul zwingt er Jugurtha, den abtrünnigen König des römischen Vasallenreichs, in die Knie. Jugurtha flieht, wird ausgeliefert und 104 im Triumph durch Rom gezerrt. Danach erdrosselt man ihn – ein übliches Ende für prominente Feinde.
    Marius also ist der richtige Mann. 104 wird er – gegen geltendes Recht – erneut Konsul; bis zu seinem Tod im Jahr 86 hat er dieses Amt siebenmal inne, ein Beweis für die Hoffnung, die der Senat in ihn setzt. Zudem verbindet ihn seine Gattin Julia, die Tante des späteren Imperators Julius Cäsar, eng mit einer der einflussreichsten Familien Roms. Als erfahrener Militär weiß Marius, dass die Kriege, die Rom an der Peripherie des Imperiums unablässig führt, den Staat über Gebühr belasten. Der jahrelange Wehrdienst, den vor allem Bauern mit eigenem Boden leisten müssen, bedroht die landwirtschaftliche Produktion und damit die Lebensmittelversorgung. Allgemein herrscht ein Mangel an geeigneten Rekruten. Auch wechselt der Oberbefehl Jahr für Jahr mit der Wahl neuer Konsuln; eine einheitliche Militärführung ist nicht gewährleistet.
    Eine Reform des gesamten Heereswesens ist also überfällig. Gut zwei Jahre bleiben Marius, um Roms Truppen auf die Entscheidungsschlachten vorzubereiten. Er nutzt diese Atempause und vollzieht den Wechsel von einer Wehrpflichtigen- zur Berufsarmee. Auch Plebejer, Angehörige der Unterschicht, können sich nun zum Militärdienst verpflichten, wenn sie nur Bürgerrechte besitzen.
    Marius ist berüchtigt für harten Drill. Er erhöht das Marschgepäck der Legionäre drastisch bis auf rund 40 Kilo. Das ist nicht Schikane, sondern lässt die Truppen vom Tross unabhängig werden; die Kohorten kommen so viel schneller voran. Sein Biograf Plutarch urteilt: »Nachdem sich die Truppen einmal an Disziplin und Gehorsam gewöhnt hatten, erschien ihnen seine finstere Strenge, seine unerbittliche Härte im Strafen sehr gerecht, ja heilsam.« Schon naht für die reformierte Armee ihre erste harte Bewährungsprobe.
    Im Jahr 103 haben sich die getrennt ziehenden Kimbern, Teutonen und Ambronen wieder vereint. Über ihre Ziele und Motive rätseln auch Fachleute; unterschiedliche Fraktionen

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