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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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an der Weser einander gegenüberstanden. Da lieferten sich die beiden Brüder ein weltanschauliches Wortgefecht. Flavus berief sich auf die Größe Roms und die vermeintliche Milde gegenüber Frau und Sohn des Arminius. Der aber, so berichtet Tacitus, erinnerte an die »uralte Freiheit« und die »heimischen Germanengötter«, die stärksten Argumente der germanischen Befreiungsbewegung.
    Wiederholt fügten Arminius’ Truppen den Römern schwere Verluste zu. Rom machte die Erfahrung, die noch manches Imperium nach ihm machen sollte: Wer einen Kampf gegen Freischärler nicht gewinnen kann, hat den ganzen Krieg verloren.
    Der erfolglose Germanicus wurde im Jahre 16 vom nördlichen Kriegsschauplatz abberufen. Tiberius, Nachfolger des im Jahre 14 verstorbenen Augustus, sorgte dafür, dass Rom sich künftig auf die Kontrolle des linksrheinischen Germaniens beschränkte. Der Freiheitswille der Germanen hatte sich gegen die römische Militärmacht durchgesetzt.
    Arminius aber wurde um 21 nach Christus im Alter von nur etwa 37 Jahren Opfer eines Attentats. Starb er, wie Tacitus schreibt, »durch Arglist seiner Verwandten«, oder hatte Rom mit Hilfe von Agenten seine Hand im Spiel? Dieses letzte Rätsel des Arminius kann keine Quelle lösen.

TEIL III
DIE EPOCHE DER VÖLKERWANDERUNG

Land der Biertrinker
    Meisterhaft knapp beschrieb der Historiker Tacitus das Wesen der Germanen. Wozu, weiß niemand genau – sicher ist nur, dass das Büchlein ungeheuer nachgewirkt hat.
    Von Johannes Saltzwedel
    Offenbar waren die beiden Herren fremd hier im riesigen Pompeius-Theater mitten in Rom. Was vorn auf der Bühne geschah, ließ sie kalt. Umso genauer wollten sie erklärt bekommen, wer all die Gäste seien und woran man wichtigere Leute erkenne. Soso, dort unten also hatten die Senatoren ihre Ehrenplätze. Aber sehe man dazwischen nicht auch Männer in fremdländischer Tracht? Allerdings, erklärten Umsitzende höflich; das seien Abgeordnete befreundeter Völker, die treu und tapfer an Roms Seite stünden. Die beiden Neulinge reagierten, als habe man ihnen ein Stichwort gegeben. »Kein Volk auf der Welt kann an Tapferkeit und Treue die Germanen übertreffen!«, riefen sie entrüstet, stiegen das weite Halbrund hinab und suchten sich Plätze inmitten der Senatoren – zur Belustigung des Publikums.
    Der kleine kuriose Vorfall aus dem Jahr 58 ist verbürgt. Sogar die Namen der selbstbewussten Herren überliefert der Geschichtsschreiber Tacitus in seinen »Annalen«: Verritus und Malorix. Friesenhäuptlinge waren es, die den langen, beschwerlichen Weg nach Süden gewagt hatten, um Roms militärischen Druck durch persönliches Erscheinen zu mildern. Noch warteten sie auf ihre Audienz bei Kaiser Nero und konnten sich daher als Touristen in der Hauptstadt des Imperiums umgucken.
    Nero bot den beiden dann großzügig das römische Bürgerrecht an. Aber aus den Gebieten, die sie ohne Roms Einverständnis besetzt hätten, müssten die Friesen abziehen, verlangte der Herrscher. Als das nicht geschah, hatte das Wohlwollen ein Ende. Lapidar wie so oft meldet Tacitus: »Umgehend wurden Reitertruppen der Bundesgenossen losgeschickt, die die Forderung durchsetzten; wer hartnäckig aufsässig blieb, wurde gefangen genommen oder getötet« – vermutlich auch Verritus und Malorix.
    Germanen konnten in ihrer kraftmeiernden Naivität durchaus interessant, ja unterhaltsam sein, aber nachgeben durfte Rom ihnen keinen Zoll; davon ist Tacitus von früh auf überzeugt gewesen. Nur mit guten Kenntnissen und einer klaren Strategie werde das Imperium gegen die seltsam diffuse, unruhige Stammeswelt im Norden auf Dauer bestehen. Für jemanden seiner Herkunft lagen solche Überzeugungen nahe. Der Sohn eines Finanziers und Provinzgouverneurs mit dem Familiennamen Cornelius – wahrscheinlich hieß er mit Vornamen Publius – hatte hurtig und glanzvoll die übliche Juristenkarriere durchlaufen und mit Sinn für gute Beziehungen die Tochter des berühmten Feldherrn Agricola geheiratet, der Britannien unterworfen hatte. Er war als Anwalt und Rhetoriklehrer berühmt; überdies hatte er schon im Kollegium aus 15 Priester-Beamten mitwirken dürfen, das die sibyllinischen Bücher, Roms altehrwürdigen Orakelschatz, hütete.

Ein Teil der Trajanssäule, die die Kriegserfolge des Kaisers gegen die Daker darstellt
    BILDARCHIV MONHEIM/AKG-IMAGES

Allerdings kaschierte der äußere Erfolg viel innere Verbitterung. Knechtschaft und Bespitzelung, ja sogar zuweilen Todesangst

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