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Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition)

Titel: Die Germanen: Geschichte und Mythos - Ein SPIEGEL-Buch (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Pötzl
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Carrara-Marmor verziertes Monument. Das Augustus-Mausoleum mit 89 Meter Durchmesser sollte von der Dauerhaftigkeit des Imperiums künden. Eindrucksvoll waren auch die Wohngebiete der Oberschicht. Die Reichen und Schönen Roms lebten in Gebäuden aus Ziegeln und Stein – welch ein Kontrast zu den Lehm- und Holzhütten der Siedlungen in der germanischen Heimat. Soldat, gar Bürger dieses Reiches zu sein, das musste einem jungen Germanenfürsten imponieren.
    Das rege Treiben auf den Märkten an milden Abenden, das üppige Angebot an Früchten, Gemüsen und Fleisch, von Honig und Olivenöl dürfte ihm gefallen haben. Die Atmosphäre mit lebhaften Verkäufern und lächelnden Römerinnen mussten einem Mann aus dem kühlen Norden wie ein Traum vorkommen. Mit Weintrauben und warmen Bädern bot Rom mehr Labsal und Luxus als die germanische Provinz. Dass mindestens ein Viertel der Bewohner Roms Sklaven waren, muss Arminius, der aus einem Lande freier, bewaffneter Bauern kam, bemerkt haben. Spürte der spätere Rebell, dass die Metropole dieses Imperiums bereits Anzeichen des Verfalls zeigte?
    Es grassierten Genusssucht und Kinderlosigkeit. Oberschichtler ergingen sich in Orgien und Bankiers in Raffgier. Dass auch Roms Denker und Philosophen schon eher Dekadenz als Heroismus widerspiegelten, könnte Arminius erkannt haben. Denn Velleius bescheinigt ihm eine »rasche Auffassung und eine geniale Klugheit«.
    Unstrittig ist, dass Arminius eine militärische Einheit kommandierte, unter römischem Oberbefehl. Zog er, wie der Althistoriker Ernst Hohl vermutete, mit römischen Truppen nach Armenien und rührte daher sein Name? Bewiesen ist das nicht. Einiges freilich deutet darauf hin, dass Arminius an einem Feldzug in Pannonien, der Gegend des heutigen Ungarn, teilnahm, im Jahre 6 nach Christus. Dort kämpfte Rom mit fünf Legionen gegen kriegerische Stämme. Eine Legion umfasste etwa 5500 Mann.
    Wenn Arminius in Pannonien dabei war, so der amerikanische Historiker Peter S. Wells, »könnte er zwei wichtige Dinge festgestellt haben«, nämlich »dass die römischen Kräfte überstreckt waren« und dass eingeborene Stammeskrieger »in ihrer Kampfleistung den Legionen gleichwertig entgegentreten konnten«. In der Nähe des heutigen Belgrad gelang den Einheimischen in einer sumpfigen Region ein Überraschungsangriff auf die Römer. Falls Arminius dort Augenzeuge war, könnte das eine wichtige Lehre für ihn gewesen sein, so Wells.
    Was gab den letzten Anstoß und was war der tiefere Grund, der aus dem Soldaten Roms den Feind des Imperiums machte? Vielleicht war es nicht zuletzt die protzige Vergötzung seiner Macht, die Rom in Germanien inszenierte.
    Im heutigen Köln ließen die Römer während des letzten Jahrzehnts vor Christus die »Ara Ubiorum« errichten. Die Ubier waren ein germanischer Stamm. Der Altar war der Göttin Roma und dem römischen Imperator geweiht. Der Cherusker Segimundus, ein Verwandter des Arminius, tat dort als Priester Dienst. Germanen, aufgewachsen in Verehrung kriegerischer Gottheiten, muss dies als großer Frevel erschienen sein, als Angriff auf ihre kulturelle Identität.
    Arminius traf seine Entscheidung, Germanen gegen die Besatzer zu mobilisieren, nicht als Hitzkopf. Er kannte Roms Militärmaschine gut genug, um zu wissen, dass Freischärler sie in offener Feldschlacht nicht besiegen konnten. Aber er merkte auch: Die Okkupanten waren verwundbar, wenn man von ihren Stärken lernte und ihre Schwächen nutzte. Zu ihren starken Seiten gehörte die Organisation und Bewaffnung ihres Heeres. Legionäre, ausgerüstet mit Kurzschwert, Wurfspeer (pilum) und metallischem Kettenhemd, waren die Hightech-Krieger ihrer Zeit. Fatalerweise führte das zu Selbstüberschätzung: Die Römer konnten sich nicht vorstellen, dass Germanen imstande waren, wirksam Widerstand zu leisten.
    Hier setzte Arminius an. Heimlich organisierte er monatelang Männer, die zu einem Schlag gegen die Römer bereit waren. Dazu gehörten auch Kämpfer aus den germanischen Hilfstruppen Roms, den sogenannten Auxiliareinheiten. Während Tausende seiner Anhänger sich im September des Jahres 9 rechts des Rheins in der Gegend zwischen den heutigen Städten Paderborn und Osnabrück sammelten, täuschte Arminius den Feind meisterhaft. Er saß an der Tafelrunde des Varus und tat alles, damit der Statthalter sich in Sicherheit wiegte.
    Der Plan ging auf. Zwar warnte der Cheruskerfürst Segestes, Schwiegervater des Arminius, den Statthalter Roms »noch auf

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