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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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schlichten. Es war aber nicht Arminius, ihn entdeckte sie nicht, nur seinen langen, weißblonden Bruder Flavus sah sie, der inmitten eines Haufens roter Halstücher saß und herumfuchtelnd, den Becher in der Hand, das Wort führte. Aus einer Ecke waren Flötenspiel und Getrommel zu hören, ein dunkelhaariges Mädchen tanzte im Schein eines hochlodernden Feuers. Junge Cherusker, darunter Segithank, gürteten sich für ihren Waffentanz mit hölzernen Schwertern – echte Schwerter waren nicht zugelassen – und empfingen letzte Anweisungen von Brun. Syrische Händler, die zum Tross des römischen Heers gehörten, gingen umher und versuchten, auch bei den Germanen ihre Ware loszuwerden: Messer, Ölfläschchen, billigen Schmuck. Die Bratspieße waren umdrängt. Die Cherusker schnitten sich ihren Anteil am seltenen Festmahl herunter und verschlangen gierig die riesigen Fleischbrocken. Einige, die ihre Becher und Trinkhörner allzu schnell und schon mehrmals geleert hatten, waren betrunken und grölten und lallten. Der Erste lag bereits unter der Bank bei den Hunden, die auf Abfälle von den Tischen lauerten. Noch viele würden ihm im Laufe der Nacht dort Gesellschaft leisten.
    Auf Nelda achtete niemand. Sie schlenderte auf der Wiese umher, sang leise vor sich hin, seufzte, denn sie war immer noch traurig, dann lachte sie wieder auf, hüpfte und machte kleine Sprünge, denn sie war auch fröhlich.
    Irgendetwas war geschehen, das sie sich nicht erklären konnte.
    Die Tänzerin wirbelte immer noch um die lodernden Flammen, und auch Nelda, im Schatten und unbeachtet, begann sich zur Musik der Flöte zu drehen.

 
6
     
    Zwei lange, raue Winter vergingen und das Frühjahr, das dem zweiten folgte, war kühl und verregnet. Selten zerriss die dichte Wolkendecke, um ein paar Sonnenstrahlen durchzulassen, die Menschen und Tiere so dringend benötigten. Seit Tagen und Nächten regnete es fast ununterbrochen.
    Fröstelnd, in eine Felldecke gehüllt, hockte Nelda am Eingang ihrer Höhle, blickte trübsinnig in das feuchte Grau und hing schweren Gedanken nach. Sie fühlte sich einsam und verloren, wie ein aus dem Nest gefallener junger Vogel.
    Ihr einziger wahrer Freund, der alte Priscus, war gegen Ende des Winters gestorben. Man hatte den Leichnam, kaum dass er entdeckt worden war, ohne Umstände im Wald verbrannt und die Asche irgendwo in einer Ecke des Gräberfeldes verstreut, die für Knechte und Mägde vorgesehen war. Es wurde auch sogleich Feuer an die Hütte gelegt, die der alte Grieche bewohnt hatte. Sie war längst baufällig und schon von Stangen gestützt. Niemand machte sich die Mühe, die schäbige Truhe herauszutragen, die seine Habseligkeiten enthielt. So verbrannten auch seine Kodizes aus Pergament und die wertvollen Papyrusrollen mit den Werken der römischen und griechischen Schriftsteller, die er so geliebt hatte. Als Nelda hinzulief, um noch etwas zu retten, war es zu spät. Segestes war gerade abwesend, alles geschah auf Anordnung seines Gefolgschaftsführers, der währenddessen die Befehlsgewalt hatte. Sie beschwerte sich bei ihrem Vater. Er rügte den Mann wegen der unwürdigen Bestattung des Gelehrten, der ja kein Unfreier gewesen war, und bedauerte den Verlust der Truhe. Aber was konnte er noch tun…
    Zum Glück hatte Priscus einige seiner Bücher zur Höhle heraufgebracht. Nelda verwahrte sie in einer Nische zusammen mit ihrer Metallscheibe und anderen Dingen, die ihr wertvoll waren, damit sie nicht, wenn sie sie im Hause ließ, irgendwann von der Mutter ins Herdfeuer geworfen wurden. Eine Papyrusrolle, von der ein Stück fehlte und auf der die lateinische Schrift kaum noch erkennbar war, nahm sie oft in die Hand. Das Schildchen mit dem Titel war verloren und an den Namen des Verfassers erinnerte sie sich nicht mehr. Es waren Gedichte, darunter auch Liebesgedichte. Vieles verstand sie nicht, manches erschien ihr sogar bedenklich, unanständig.
    Aber sie las die Gedichte immer wieder und zwei Verse, die ihr nicht aus dem Sinn gingen, murmelte sie noch im Schlaf:
    »Sei uns vergönnt, den Bund geheiligter Liebe zu wahren
    unverbrüchlich und fest bis in die Stunde des Todes…«
    Sie dachte noch immer an Arminius. Seit dem Tag, an dem sie sich begegnet waren, hatte sie ihn nicht wiedergesehen. Selten hatte sie etwas von ihm gehört und es waren stets nur spärliche Nachrichten. Ein Mann, der bei den Auxilien gedient hatte und als Krüppel heimgekehrt war, wollte irgendwo im Norden mit ihm gekämpft haben,

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