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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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hergeben. Morgen wird Arminius heraufkommen und sie abholen.« Bekümmert fügte Ramis hinzu: »Ich weiß schon, warum dein Vater Segithank und die anderen dazu bestimmt hat. Er wird froh sein, wenn sie nicht wiederkommen.«
    »So etwas solltest du nicht denken«, murmelte Nelda, die zuletzt kaum noch zugehört hatte.
    Dass Arminius mit einem Auftrag erschienen war, dämpfte ihre große Freude. Doch vielleicht hatte er es so eingerichtet, dass er den Auftrag erhielt, um sie wiederzusehen und sein Versprechen zu erfüllen. Vielleicht wollte er noch mehr, aber weil er sie nicht zu Gesicht bekommen hatte…
    »Hätte ich nur nicht den ganzen Tag in der Höhle gehockt!«, führte sie den Gedanken laut zu Ende. »Morgen bleibe ich hier. Ich werde versuchen, mit ihm ein paar Worte zu wechseln. Aber… aber ich soll ja nicht wissen, dass er das Pferd gebracht hat. Darf ihm nicht einmal danken.«
    »Und sehen sollst du ihn auch nicht«, sagte Ramis.
    »Nicht einmal sehen?«
    »Ich habe gelauscht, als er fort war und dein Vater mit deiner Mutter sprach. Er sagte: ›Mir gefällt nicht, dass er sich so auffällig nach Nelda erkundigt hat. Wer kann wissen, was er sich einbildet. Es wird besser sein, wenn er sie auch morgen nicht sieht.‹ Darauf erwiderte deine Mutter: ›Sei unbesorgt, überlass das mir.‹«
    Nelda seufzte. Aber im nächsten Augenblick lachte sie, ergriff die Hände der Freundin und drückte sie heftig.
    »Hast du wirklich gehört, dass mein Vater das gesagt hat? Er hat sich nach mir erkundigt? Auffällig?«
    Als Nelda später an den Herd trat, sagte Frau Male, während sie ihr den Napf mit Suppe füllte: »Ich gehe morgen früh hinunter ins Dorf. Die Frauen liefern schlechte Stoffe, ich muss feststellen, woran es liegt. Du wirst mich begleiten, kannst dabei lernen. Wir gehen von Haus zu Haus, sehen uns die Webstühle an, lassen uns zeigen, wie sie arbeiten. Wir werden erst am Abend zurück sein.«
    Male, die gerade von ihrer zwölften oder dreizehnten Schwangerschaft genesen war, sah ihrer Tochter prüfend ins Gesicht, als wollte sie irgendetwas herausfinden. Sie war eine blasse, dünne, knochige Frau mit grämlichen Zügen, fast zahnlos, grauhaarig und schon etwas gebeugt, obwohl sie erst knapp über dreißig Jahre alt war. Die vielen Schwangerschaften und der ständige Aufenthalt in der rauchgeschwängerten Luft des Hauses hatten alle Spuren ihrer einstigen Schönheit getilgt. Nur ihre beiden Ältesten, Segimund und Nelda, waren am Leben geblieben, und so hatte sie sich damit abfinden müssen, dass ihr Gemahl, um die Erhaltung seines Geschlechts besorgt, Nebenfrauen mit auf die Schlafbank nahm. Zahlreiche Kinder, die ihm ähnlich sahen, bevölkerten den Wehrhof und die Dörfer ringsum. Male war jedoch nach wie vor unbestritten die Herrin des Hauses und, obwohl sie ständig von Hustenanfällen und Gliederreißen geplagt wurde, ein Muster an Pflichterfüllung. Segestes behandelte sie mit Ehrerbietung.
    Am nächsten Morgen war sie wie immer die Erste, die sich erhob. Sie blies das Herdfeuer an, wusch sich, warf ihren einfachen braunen Wollkittel über und weckte ihre Tochter. Nelda, die sich die halbe Nacht schlaflos gewälzt hatte und erst gegen Morgen eingeschlafen war, stand gehorsam auf. Sie aßen jede einen Brotfladen, tranken einen Becher Milch und machten sich auf den Weg.
    Segestes, der sich später erhob und gähnend, die Glieder reckend aus dem Hause trat, sah sie gerade noch unter dem Tor verschwinden.
    Er seufzte zufrieden.
    Dann machte er sich an ein Tagewerk, das ihm wenig behagte, dessen Notwendigkeit er jedoch nicht bezweifelte. Er hatte dafür zu sorgen, dass die acht für die Auxilien bestimmten jungen Männer mit ihren Pferden bereit waren, wenn Arminius heraufkam und sie abholte. Jetzt ärgerte er sich, weil er sich am Vortag geweigert hatte, die geforderten zwölf zu stellen. Der Sohn des Segimer würde dies vielleicht hämisch dem Tiberius berichten und der konnte es als mangelnden Eifer für die gemeinsame Sache auslegen. Warum hatte er diesen unnötig heftigen Wortwechsel begonnen? Es gab wohl nur eine Erklärung: das allzu selbstsichere, fordernde Auftreten des Arminius und seines Bruders, der ihn nachzuahmen suchte. Segestes ertrug die Römer leicht, doch nur schwer diese Stammesgenossen, die ihm im Namen der Römer Befehle erteilten.
    Arminius erschien erst in der Wallburg, als die Sonne den Scheitelpunkt erreicht hatte. Er ritt an der Spitze eines Trupps von zwanzig schwer

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