Die Germanin
Mähne. So lag sie, zitternd und schluchzend, im Gras und nahm nicht wahr, was ringsum vorging.
Sie sah auch nicht, wie der Mann in kurzen Hosen und verschwitzter Tunika, mit dem roten Halstuch des Legionärs, langsam herbeikam und stehenblieb. Eine Weile stand er so und blickte bewegt auf das Bild des Jammers. Er öffnete zwei-, dreimal den Mund, um etwas zu sagen, doch es fielen ihm nicht die richtigen Worte ein.
Dann sah er plötzlich die beiden Knechte, die einen Karren über die Wiese schoben. Sie kamen näher.
Rasch kniete er neben Nelda nieder und legt ihr behutsam die Hand auf den Arm.
»Komm«, sagte er leise. »Du kannst nicht mehr helfen.«
Nelda zuckte zusammen. Ihr Kopf tauchte aus der Mähne des Tiers auf, sie wandte ihm ihr tränenüberströmtes Gesicht zu. Erschrocken fuhr sie mit dem Handrücken über die Augen. Ihr Haar war zerzaust, der Stirnreif saß schief, ihre Wangen waren von nassen, schmutzigen Streifen bedeckt.
»Komm«, sagte er noch einmal. »Es wird besser sein, wenn du das nicht siehst.«
Er nötigte sie aufzustehen und drehte sie zu sich herum. Als die Männer mit dem Karren heran waren, drückte er ihren Kopf an seine Brust.
Sie hörte es hinter sich poltern, doch blieb sie gehorsam stehen, bewegte sich nicht und netzte sein Hemd mit ihren Tränen.
Dann hörte sie das Quietschen der Räder des sich entfernenden Karrens.
»Sieh dich nicht um«, sagte er. »Lass uns beiseitegehen.«
Er führte sie ein paar Schritte fort, dann ließ er ihren Arm los. Sie blieben stehen. Mit einer Geste der Verlegenheit fuhr er durch sein störrisches blondes Haar.
»Du weißt, wer ich bin?«, fragte er.
»Ja«, sagte sie und schluckte. »Arminius.«
»So nennt man mich, ja, ich bin Segimers Sohn. Und du bist also Segestes’ Tochter. Von Brun erfuhr ich, dass dir die Stute gehörte. Wie hieß sie denn?«
»Furi«, würgte Nelda mit einem Schluchzer hervor.
Arminius strich ihr über das wirre Haar.
»Ich verstehe dich. Brun ist sehr traurig über das, was passiert ist. Wir sind beide sehr traurig. Denn wir beide sind schuld daran… er weniger, er hat das Pferd nur ausgesucht. Vor allem bin ich schuld.«
»Wieso du?«
»Weil ich zu ehrgeizig war.« Er zog die Brauen über seinen hellen Augen zusammen und eine schräge Falte erschien auf seiner Stirn. »Weil ich gewinnen wollte. Ja, weil es mir guttat, den Sohn des Feldherrn zu besiegen. Was habe ich schon davon! Nichts! Überhaupt nichts! Aber dir… dir habe ich damit großen Kummer bereitet.«
»Es geht schon«, sagte sie und lächelte tapfer. »Ich weine ja nicht mehr. Habe mich gefreut, weil du gewonnen hast.«
»Du hast ja heute auch gewonnen. Alle haben gestaunt. Viele Römer halten uns noch immer für dumme Barbaren. Du hast heute viele eines Besseren belehrt.«
»Aber ich bin doch stecken geblieben…«
»Was macht das? Ist mir nicht aufgefallen, den meisten anderen auch nicht. Wie schön du dabei ausgesehen hast. So eine Tochter hat also Segestes. Wie alt bist du?«
»Dreizehn Jahre.«
»Da habe ich dir neun Jahre voraus. Ich bin schon fast ein alter Mann.«
Sie blickte zu ihm auf, sah seine lächelnden hellen Augen und die schimmernden Zähne in dem braungebrannten Gesicht und musste ein bisschen lachen.
»Ein alter Mann, der über fünf Pferde springt.«
Im selben Augenblick spürte sie wieder ihren Schmerz und konnte nicht anders, sie musste sich umdrehen und zurückblicken.
Weit hinten verschwanden die Knechte gerade mit dem Karren unter den Bäumen. Ein kleiner rotbrauner Farbfleck zerging im Abendlicht.
Arminius legte Nelda die Hand auf die Schulter.
»Sieh doch nicht hin«, sagte er. »Bald hast du ein neues Pferd.«
»Ich will keins!«
»Doch, du wirst es wollen. Du bekommst es von mir. Leider muss ich morgen fort, es geht wieder in den Krieg. Aber wenn ich das nächste Mal komme…«
»Wann wird das wohl sein…«
»Ich hoffe bald. Und ich halte mein Versprechen.«
»Dann will ich so lange kein anderes Pferd haben«, sagte sie. »Dann warte ich auf dein Geschenk.«
»Gut.«
Sie sahen sich an und hörten im selben Augenblick eine barsche Stimme:
»Nelda!«
Zehn Schritte entfernt stand Segestes, eine Faust in die Seite gestemmt.
»Komm her!«
Arminius trat zur Seite und bedeutete Nelda mit einer Kopfbewegung zu gehorchen. Sie zögerte, wollte ihm noch etwas sagen, aber der zornige Blick des Vaters lähmte ihre Zunge. Arminius nickte ihr zu und sie versuchte, zum Abschied zu lächeln.
»Muss ich
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