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Die Germanin

Titel: Die Germanin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Gordian
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zur Hochzeit. Manches ist vorher zu bedenken und zu regeln.«
    »Du hast den Brautwerbern einen Namen genannt!«
    »Gewiss, das habe ich, das musste ich doch…«
    »Gibt es diesen Mann überhaupt? Oder hast du ihn nur erfunden, um sie loszuwerden?«
    »Oh, nein, nicht erfunden… Was denkst du von mir? Es gibt diesen Mann.«
    »Wer ist es?«
    »Sein Name ist Gaius Sempronius. Er ist ein junger Rechtskundiger, hoch begabt, mit einer glänzenden Zukunft. Sein Vater ist Senator in Rom und er selbst kann es eines Tages zum Konsul bringen. Als ich mit Varus zusammentraf, war er zugegen, er war gerade erst ein paar Tage zuvor in Mogontiacum eingetroffen. Eine kurze Zeit bleibt er dort, um in der Umgebung des Statthalters erste Erfahrungen zu sammeln. Danach schickt ihn Varus zu uns, den Cheruskern. Er soll hier das römische Recht einführen und auch selbst – als Stellvertreter des Statthalters – zu Gericht sitzen. Ich habe mich lange mit ihm unterhalten, er scheint dafür der richtige Mann zu sein.«
    »Aber ich will mit einem Römer, der unsere Leute nach fremden Gesetzen verurteilen soll, nichts zu tun haben!«, rief Nelda.
    »Oh, seinem Anblick wirst du dich kaum entziehen können«, sagte Segestes mit schlauem Grinsen. »Er wird bei uns wohnen.«
    »Wie? Etwa hier auf dem Wehrhof?«
    »Du wirst dich an ihn gewöhnen. Er gehört nicht zu denen, die sich als unsere Herren aufführen. Er ist ein sehr angenehmer Römer, gebildet und höflich.«
    »Und hast du schon etwas mit ihm vereinbart? Ich meine, was mich betrifft…«
    »Nun, das eigentlich nicht. Natürlich habe ich nicht versäumt, ihm von dir zu erzählen und deine Vorzüge zu rühmen. Jetzt ist er sehr gespannt auf dich. Ich bin sicher, sobald er dich kennen gelernt hat, wird er von selbst auf den Gedanken kommen, du könntest die Richtige für ihn sein.«
    »Aber ich bin nicht die Richtige für einen Römer! Ich bin es nicht! Warum willst du das nicht endlich einsehen, Vater?«
    »Weil ich dein Bestes will, Kind. Und nun schweig. Warten wir ab, wie du darüber denkst, wenn du ihm begegnet bist. Wahrscheinlich ist er schon unterwegs, er kann täglich kommen. Er wird dir gefallen.«
    Tatsächlich traf Gaius Sempronius kurz darauf ein. Segestes hatte nicht übertrieben: ein freundlicher junger Mann, fünfundzwanzig Jahre alt, von angenehmer Erscheinung und heiterem Wesen. Er kehrte weder den überlegenen Römer noch den strengen Juristen heraus und bemühte sich, ehe er Recht sprach, die neuen Verhältnisse, in die er gestellt war, gründlich zu studieren. Von den Ältesten ließ er sich über das Stammesrecht unterrichten und hörte aufmerksam auf ihren Rat, bevor er ein Urteil sprach. Er war auch nicht anspruchsvoll und zog mit seinem Schreiber und einem Leibwächter anstandslos in die bescheidene, niedrige Hütte, die eilends für ihn errichtet worden war. Den Gästen einen Platz auf den Schlafbänken in der Wohnhalle anzubieten hatte Segestes zwar kurz erwogen, doch war er schnell wieder davon abgekommen. Das ungenierte nächtliche Beieinander der Geschlechter, der Alten und Jungen und sogar der Freien und Unfreien seines Haushalts mochte auf den römischen Aristokraten einen zu nachteiligen Eindruck machen.
    Nelda gab sich zu Anfang spröde, doch gelang es ihr nicht ganz, sich der Liebenswürdigkeit und gewinnenden Höflichkeit des römischen Gastes zu entziehen. Wenn er sich ihr als Begleiter bei Ausritten anbot, konnte sie nicht ablehnen. Wenn er über dieses und jenes, was ihm fremdartig erschien, Auskunft begehrte, musste sie antworten. Da sie als Einzige auf dem Hof gutes Latein sprach, ergab es sich zwangsläufig, dass sie ihm bei Rechtsfällen, die er untersuchte, als Übersetzerin diente. Er fragte sie oft nach ihrer Meinung und so entwickelte sich ein gewisses Vertrauensverhältnis zwischen ihnen. Freimütig bemängelte sie Maßnahmen der Römer, die sie als ungerecht empfand. Vor allem hielt sie ihm die hohen Abgaben vor, die die römischen Steuereinnehmer eintrieben und die für viele germanische Bauern den Ruin bedeuteten. Er rechtfertigte, was er für notwendig hielt, doch machte er auch Zugeständnisse, und Nelda erreichte sogar, dass er auch mal ein Urteil zurücknahm.
    Segestes beobachtete die beiden und förderte ein häufiges Zusammensein. Da er sich selbst für das römische Recht interessierte, ließ er alle wichtigen Fälle auf dem Wehrhof verhandeln und nahm als einer der Sachverständigen für das Volksrecht der Cherusker, als

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