Die Germanin
Abneigung gegen den berühmten Stammesgenossen kannten, zu empörtem Gemurmel veranlasst sahen, obwohl sie noch gar nichts begriffen. An die zehn, zwölf Männer hockten um ein Feuer, das in der feuchtkühlen Luft mehr schwelte als brannte. Nelda, in eine Decke gehüllt, stand etwas abseits. Kein Wort entging ihr.
»Sieh an, dachte ich«, fuhr Segestes fort. »Das hat er fein ausgeheckt, dieser Arminius! Ein durchsichtiger Vorwand… die Geschichte des erschlagenen Steuereinnehmers. Um auch noch Hilfstruppen unter sein Kommando zu bringen. Oder hat er Wind bekommen, dass sein Verrat entdeckt worden ist? Will er sich absetzen? Nein, dachte ich, so kommst du mir nicht davon! Ich stand also auf und brachte meine Anklage vor. ›Legat‹, sagte ich, ›ich weiß nicht, wer den Boten geschickt hat, doch ich vermute, er war es selber… der dort – Arminius! Er will dich in eine Falle locken. Hat den kleinen Aufruhr erfunden, damit die große Verschwörung nicht ruchbar wird. Sie haben ihn zu ihrem Heerführer gewählt und sobald du das Lager verlässt, werden sie über euch herfallen. Ich kann dir die Namen der Verschwörer nennen – einige sind hier anwesend – der hier – und dieser – und der da drüben, der Dicke mit dem silbernen Halsschmuck – sie sind alle dabei! Auf ein Zeichen, das sie von ihm erwarten, wollen sie losschlagen!‹ So sprach ich. Natürlich erhob sich sogleich Protestgeheul. Die ich bezeichnet hatte, brüllten auf, stießen Drohungen gegen mich aus, schüttelten Fäuste. Einer schleuderte seinen Becher nach mir. Aber ich ließ mich nicht irre machen. ›Nichts anderes, Legat‹, rief ich, ›ist das Ziel des Arminius und dieser Männer, als die Legionen zu vernichten und euch Römer über den Rhenus zurückzutreiben!‹«
»Das hast du dem Varus wirklich gesagt?«, fragte einer der Männer am Feuer ungläubig. »Und was hat er erwidert?«
»Anfangs starrte er mich nur an. ›Ungeheuerlich‹, grummelte er, ›ungeheuerlich.‹ Dann wandte er den Kopf und starrte den Arminius an. Aber der… dieser eiskalte Hund… er bewahrte vollkommene Ruhe! Er schien keineswegs überrascht zu sein. Die anderen schrien und tobten – er saß ruhig da und lächelte spöttisch. Als ob er nur darauf gewartet hätte, dass ich ihn anklagte! ›Ich – ein Verräter?‹ sagte er und grinste mich an. ›Ich – ein Verschwörer? Ich, der ich mein Blut für Rom vergoss und dafür ausgezeichnet wurde? Bist du noch bei Verstand, wenn du so etwas behauptest?‹ ›Ich habe Beweise!‹, schrie ich. ›Auch einen Zeugen habe ich! Einen, der nicht mehr mitmachen will bei eurem Verrat, den das Gewissen plagte, der sich mir anvertraute!‹ ›Wenn du einen Zeugen hast‹, sagte Varus, ›dann lass ihn herkommen!‹ Ich erwiderte: ›Er sitzt unter uns – da drüben!‹ ›Wer ist es?‹ ›Boiacalus, der Amsivarier.‹ Aber Boiacalus war nicht da. Es war ja schon dunkel, ich sehe auch nicht mehr so gut und im Licht der Lampen konnte ich die entfernter Sitzenden nicht mehr genau erkennen. Ich hatte einen anderen mit ihm verwechselt. Man lachte und rief: ›Boiacalus! Boiacalus! Wo steckt denn der Trunkenbold, der die Verschwörung aufdecken will?‹ Auch Arminius fing an zu lachen – ja, er lachte, er schlug sich die Schenkel! Ich schrie: ›Er wollte hier sein, er wollte alles bezeugen! Er war doch sonst immer hier! Wo ist er? Was habt ihr mit ihm gemacht? Ist er tot? Habt ihr ihn umgebracht? Hat euch jemand verraten, dass er mit mir in der letzten Nacht unterwegs war?‹«
Der zornige Blick des Segestes glitt über die Gesichter der Männer am Feuer und verharrte kurz bei Segithank, der weit vorgebeugt, von ihm abgewandt, mit einem Stock die verlöschende Glut schürte. Nelda biss sich auf die Lippe und wagte nicht, sich zu rühren.
»Und was geschah weiter?«
»Natürlich gab es wieder Geschrei und höhnisches Gelächter. Einer kam auf mich zu und versetzte mir einen Schlag, ich spüre es jetzt noch. Und da bemerkte ich schon, dass auch die Römer, die dabei saßen, die Sache eher heiter nahmen. Gleich werden sich die Barbaren prügeln, dachten sie wohl. Das Schlimmste aber: Varus seufzte, lehnte sich in seinem Armstuhl zurück und gab mir mit einer Geste zu verstehen, dass ich endlich mit dem Unfug aufhören sollte. Und mit dem Arminius tauschte er einen Verständigungsblick. Das hieß wohl: Ist nichts mehr los mit dem alten Segestes – der ist besoffen oder übergeschnappt. Da machte ich einen letzten Versuch.
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