Die Germanin
Hilfssöldnern bestehender Schutztrupp genehmigt worden. Gaius saß wie Segestes zu Pferde. Meistens ritt er an der Seite des mit Gepäck beladenen Wagens, auf dem sich auch Nelda mit der Frau des Wigbald und ihren Kindern befand. Sie sah es als ihre Pflicht an, sich um die noch immer verstörte, verängstigte Familie zu kümmern, bis sie die vier der Obhut ihrer Mutter überlassen konnte. Ab und zu bestieg sie aber doch ihr Pferd und ritt ein Stück. Dann schloss Gaius sich an und es wurde ihr schwer, auf den heiteren Plauderton des liebenswürdigen jungen Römers einzugehen, der nichts wusste und nichts ahnte. Oft blieb sie ihm Antworten schuldig und er erkundigte sich besorgt nach ihrem Befinden. Ihr fehlte nichts, doch es war ein anderer, mit dem sie ständig und voller Inbrunst Gespräche führte, wenn auch nur stumm und in Gedanken.
Es war eine Reise mit zahlreichen Hindernissen: über verschlammte, kaum noch erkennbare Wege, durch angeschwollene Bäche, mit Aufenthalten vor umgestürzten Bäumen und Tierkadavern, die zeitraubend fortgeräumt werden mussten. Der Senator bereute bald, nicht die Heerstraße genommen oder sich den Legionen angeschlossen zu haben. Beim Passieren einer gewundenen Schneise durch dichten Wald, wo sich der Treck der Reisenden weit auseinander zog, verschwanden plötzlich Segithank und die meisten der jüngeren Gefolgsleute. Segestes schwor, er werde diesen Schuft von einem Neffen in Ketten legen, sollte er ihm je wieder unter die Augen kommen. Den römischen Reisegefährten erklärte er, dass er die jungen Männer auf einem kürzeren, doch schwerer gangbaren Wege vorausgesandt habe, um die Ankunft vorzubereiten.
Segestes wollte dem Besuch des ranghöchsten Römers, der je seinen Wehrhof betreten hatte, eines Mannes, zu dem er überdies verwandtschaftliche Beziehungen aufnehmen wollte, einen festlichen Charakter geben. Doch das gelang nicht recht. Der ältere Sempronius zeigte, im Gegensatz zu seinem Sohn, keineswegs die Bereitwilligkeit, sich den germanischen Verhältnissen anzupassen. Wegen des Wetters war er verstimmt, und die Unbequemlichkeiten des Aufenthalts auf dem Wehrhof waren ihm lästig. Er erklärte, nur wenige Tage bleiben zu wollen und drängte deshalb darauf, so rasch wie möglich zum Geschäftlichen zu kommen. So musste Segestes, statt ein üppiges Festmahl zu geben, bereits am Tag nach der Ankunft mit den beiden Semproniern und dem Negotiator das weiträumige, fast unbewohnte Wald- und Wiesengebiet am Rande seines Gaus besichtigen, das er dem römischen Staat gegen eine Entschädigung überlassen wollte. Quästoren oder – wie in diesem Fall – ein von ihnen beauftragter Negotiator übernahmen die Vermessung und den Verkauf solcher Güter. Segestes betrieb die Angelegenheit eifrig, würden auf diese Weise doch Mittel hereinkommen, die er für die aufwendigen, noch unvollendeten oder kaum begonnenen Bauten auf seinem Hof benötigte. Zum Glück war das Wetter günstig und beim Anblick der fetten Weiden und der Wälder voller Baumriesen, die der Negotiator gleich in Gewinne aus Viehzucht und Holzwirtschaft umrechnete, gewann der Senator seine gewohnte Munterkeit zurück. Die Ansiedlung von Veteranen der Rhenus-Armee als Kolonen wurde erwogen, auch einiger hundert Sklaven, pannonischer Gefangener, die jetzt, nach der Niederschlagung des Aufstands, billig zu haben waren. Bei der Rückkehr auf den Herrenhof waren alle in gehobener Stimmung.
Sie wussten noch nicht, was inzwischen geschehen war.
Es war Nelda, die die schlimm zugerichteten Ankömmlinge zuerst bemerkt hatte. Getrieben von Unruhe und Besorgnis und in der unbestimmten Hoffnung, es könnte vielleicht eine für sie wichtige Nachricht eintreffen, war sie immer wieder zum Ausguck geeilt, der schmalen Felsenplattform, von der aus man das ganze Tal überblicken konnte. Dann hatte sie die fünf Männer aus dem Wald kommen sehen. Zwei von ihnen stützten den Dritten, der kaum gehen konnte, der Vierte führte ein Pferd am Zügel, auf dem der Fünfte mehr hing als saß. Die rote Farbe ihrer Kleidung wies sie als Legionäre aus, sie schienen bewaffnet zu sein. Nelda schickte sogleich ein paar Knechte mit einem Karren den Hügel hinab. Der Anblick war mitleiderregend: Bis auf den nur leicht verletzten Mann, der das Pferd führte, hatten alle schreckliche Wunden, ihre Köpfe und Gliedmaßen waren mit blutdurchtränkten Lappen umwickelt. Einer, der einigermaßen Latein sprach, gab Auskunft darüber, was ihnen geschehen
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